LESERINNENBRIEFE :
Pseudo-christliches CDU-Image
■ betr.: „CDU folgt Merkels Embryo-Haltung“, taz vom 17. 11. 10
Einige dieser „christlich-gläubigen“ Delegierten der CDU glauben, dass „Gott alle Kinder liebt, ob groß oder klein“, ob behindert oder nicht, ergo auch alle Embryonen prä- oder postnatal mit oder ohne Gen-Schädigungen. Tatsache ist, dass diese Liebe Gottes bzw. der Glaube daran den eventuell gen-defekten Embryonen und vor allem den erwachsenen Behinderten auf Erden nichts nützt, siehe Kürzung, sogar Streichung staatlicher Zuschüsse für Blinde und Rollstuhlfahrer durch die jetzige Regierung.
Die Paare aber, die auf die PID angewiesen sind aus den bekannten Gründen, möchten 51 % der CDU-Parteitagsgänger durch ein Verbot der PID kriminalisieren. Die CDU versucht mit dem Streit um PID ihr pseudo-christliches Image aufzupäppeln. PID hat nichts mit der Anzucht von gewünschten Menschentypen zu tun. Die CDU würde Menschen mit Erbkrankheiten mitsamt ihrer behandelnden Ärzte in die Ecke der Unnormalität drängen, ja sogar einer Strafverfolgung aussetzen wollen. Das bedeutet: Menschen, die anders als die Mehrheit abweichen vom „natürlichen“, „normalen“ und „biologisch gesunden“ Fortpflanzungsprozess werden als biologisch unzulänglich stigmatisiert. Nur gut, dass Gott auch die CDU vorbehaltlos liebt – mit oder ohne Erbkrankheiten. ISELIN BOIT, Berlin
Ist das christlich?
■ betr.: „CDU folgt Merkels Embryo-Haltung“, taz vom 17. 11. 10
Julia Klöckner, CDU-Vorsitzende von Rheinland-Pfalz, meint‚ jedes Kind sei „ein Geschenk Gottes“. Wenn Gott nun beschlossen hat, dass ein Paar kein Kind bekommt, was dann? Gottes Willen umschiffen durch Befruchtung in der Petri-Schale? Mit 1,3-fachem Missbildungs-Risiko? Ist das christlich? Oder in christlicher Demut Gottes Willen akzeptieren (und vielleicht ein Waisenkind adoptieren)? Das wäre christlich. Bezeichnend, dass dieser Gedanke in der langen Debatte offenbar nicht einmal vorkam! WOLFRAM GIESE, Neu Wulmstorf
Feine Zusammenhänge
■ betr.: „Die kleinen Unterschiede“ u.a., taz vom 15. 11. 10, „Von Männern geht sehr viel schwere Gewalt aus“, taz vom 16. 11. 10
Die Diskussion über die „neue“ Studie zu Gewalt gegen Männer und Frauen (die in Wahrheit eine thematisch fokussierte Sekundäranalyse der Daten ist, die der 2009 veröffentlichten Studie „Männer in Bewegung“ zugrunde liegen) verkennt bislang einen ganz wesentlichen Punkt: Zielt man vom Einzelfall der geschlagenen Frau oder des geschlagenen Mannes auf die Frage ab, worin die Ursachen für Gewalt in Partnerschaften liegen, dann kommt man an Frauen- und Männerbildern nicht vorbei. So weit scheint man sich ja auch einig zu sein. Nun aber weiter der Frage nachzugehen, ob es „die Männer“ sind oder doch „die Frauen“, die Schuld haben an der Gewalt, die von beiden Seiten ausgeht, führt insofern in die Irre, als die Geschlechterordnung der Gesellschaft ja erst den institutionellen Rahmen für eine Reproduktion der Geschlechterbilder (durch Sozialisation) bietet. Folglich kann man es nicht „den Männern“ selbst anlasten, absichtsvoll und motiviert zur Reproduktion von gewaltverherrlichender Maskulinität beizutragen, wird doch die gesellschaftlich verfestigte institutionelle Ordnung der Geschlechter von Männern und Frauen gleichermaßen getragen.
Männer sind, ebenso wie Frauen, gefordert, sich a-sozialen Geschlechterbildern bewusst zu verschließen. Denn hegemoniale Männlichkeiten (Connell) benötigen nicht nur untergeordnete Formen von Männlichkeit, um sich durchsetzen zu können, sondern sie sind ebenso auf Formen von untergeordneter Weiblichkeit angewiesen. Debatten aber, die die Schuld für Gewalt in Partnerschaften bei einem der beiden Geschlechter suchen, verstellen den Blick auf diese feinen Zusammenhänge. Mehr noch, sie reproduzieren letztlich das, gegen was sie eigentlich im Kern ankämpfen müssten: die Dichotomisierung der sozialen Kategorie „Geschlecht“ und die Konfrontation von Männern und Frauen. HORST-DIETRICH ELVERS, Berlin