: Reich der Albträume
betr.: Bundeswehr in Afghanistan
Das Erschreckende an diesen Vorfällen sind nicht die „unfassbaren Entgleisungen“ junger Soldaten, sondern die alberne und grausame Selbstvergessenheit, mit der man an den „unschuldigen Krieger“ geglaubt haben will. Als hätte man vergessen, dass Soldaten als achtzehnjährige Halberwachsene zum Töten ausgebildet werden und Töten zu einem Randbezirk unserer vielbeschworenen „Zivilisation“ gehört.
Wer mit ansehen muss, wie sein Kamerad schreiend verblutet oder von einer Bombe zerrissen wird, wer dem Tod täglich ins Auge blickt und gezwungen ist, ihn auch selbstverantwortlich einem anderen Menschen zu bringen – ganz gleich, ob „unschuldig“ oder „schuldig“ –, der ist längst in jenem Reich unterwegs, aus dem unsere Albträume stammen. Da ist das Präsentieren eines Totenschädels auch mit entblößtem Penis weder der Gipfel der „Perversion“ noch der Gipfel des vorstellbaren Ungeheuerlichen.
Man schickt junge Menschen auf die modernen Schlachtfelder, man ignoriert beflissen, dass sie fast ausnahmslos als seelische Krüppel zurückkehren, als Frühinvalide und Ausgeschlossene der Gesellschaft – und versucht uns weiszumachen, dass diese unsere „Zivilisation“ sich ihrer Funktionsweisen bewusst wäre, dass es ein Sakrileg sei, die Prinzipien in Zweifel zu ziehen, auf die sie ihre vermeintliche Überlegenheit gründet. Wie dies unter anderem islamische Fundamentalisten tun, gegen deren Zorn und „ferngesteuerten“ Massenprotest man in Kürze wieder polemisieren wird.
„In einer Welt, die von Größenwahn und Stolz, von Phantasterei und Unaufrichtigkeit erdrückt wird, ist der Begriff ‚Wahnsinn‘ reichlich vage. Im Übrigen hat man festgestellt, dass nur ein geringer Teil der Größenwahnsinnigen von den Psychiatern behandelt wird. Sobald der Wahnsinn allgemein wird – oder sich durch Vermittlung der Allgemeinheit artikuliert –, wird er tabu.“ (Lo Duca) JUL BRITT, Berlin