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Archiv-Artikel

Misstöne zum Geburtstag

Zum 150-jährigen Bestehen des Domchors will die Gemeinde-Leitung dem Wirken des renommierten Kantors Wolfgang Helbich ein Ende bereiten. Angeblich, weil er die Altersgrenze erreicht

von Klaus Wolschner

Der Vorstand der Domgemeinde will das Engagement des renommierten Domkantors Wolfgang Helbich nicht verlängern – obwohl der das angeboten hatte. Mit dem Domchor wurde vor der Entscheidung der „Dombauherren“ nicht geredet. Die SängerInnen sind stocksauer und fürchten um die Qualität der Kirchenmusik in Zeiten der Sparpolitik.

Am Sonntag beginnen die Jubiläums-Feierlichkeiten. Der Domchor, der 150 Jahre alt wird, zeigt, was er kann – fünf Konzerte in acht Wochen. Vier Tage vor dem Auftakt mit Anton Bruckners gewaltigem „Te Deum“ schlug die Nachricht von der bevorstehenden Trennung bei der Probe am Mittwoch wie eine Bombe ein: Der langjährige Leiter des Domchores, Wolfgang Helbich, teilte mit, dass die Gemeinde ihn offensichtlich nicht mehr wolle. Am Dienstag hatte eine informelle Sitzung des Gemeindevorstands, der so genannten „Dombauherren“ , stattgefunden. Dabei legten diese schon einen Entwurf für die Stellenausschreibung auf den Tisch – zudem mit einem komplett geänderten Stellenprofil: Der Domchor sehe sich „durch die neue Struktur bedroht“, sagt Michael Werbeck, Sprecher des Ensembles.

Seit 30 Jahren ist Helbich dessen Leiter, acht Konzerte im Jahr, mitunter aber auch mehr stehen im Programm – der umtriebige Musiker erntete in Bremen mit seiner Arbeit eine uneingeschränkte Anerkennung. Zugleich ist der gebürtige Berliner Professor für Chorleitung an den Musikhochschulen Bremen und Saarbrücken, er leitet das „Alsfelder Vokalensemble“ und den Chor des Bielefelder Musikvereins. Und irgendwie sorgt Helbich auch an 30 Sonntagen im Jahr mit Chormitgliedern und an der Orgel für die musikalische Begleitung der Gottesdienste. Im April 2008 wird er 65 Jahre alt – das ist das Problem. Er selbst würde gern weitermachen, zwei oder drei Jahre. Da ist keiner, der ihm das physisch nicht zutrauen würde. „Wenn Helbich noch weitermachen möchte, soll er es machen“, sagt zum Beispiel der Landeskirchen-Musikdirektor Ansgar Müller-Nanninga.

„Verwaltender Dombauherr“, also sozusagen Chef des Vereins Domgemeinde, ist aber der Rechtsanwalt Hans-Georg Friedrichs. „Herr Helbich wird mit 65 ausscheiden“, sagt der kategorisch. Darüber gebe es „keine Diskussion“. Schließlich gelte das für alle Angestellten der Bremischen Evangelischen Kirche.

Mit Helbichs künstlerischer Leitung sei man zwar „hochzufrieden“ im Kreise der Dombauherren. Doch in dieser Frage gehe es ums Prinzip. Und um eine „Umorganisation des Dom-Managements“, denn auch der Leiter der Kirchenkanzlei geht demnächst in den Ruhestand. Diese Diskussion habe aber erst angefangen, da solle vorerst „nichts nach außen verlautbart werden“. Sorgen müsse sich der Chor nicht machen: „Dem Domchor geht es bestimmt nicht an den Kragen.“

Intern aber scheint ausgemacht, dass man nicht wieder einen so chaotischen Vollblut-Musiker wie Helbich haben will. Die Engagements außerhalb von Bremen – für erfolgreiche Musiker eine übliche Arbeitsstruktur –werden in der Kaufmannsstadt negativ bewertet: Als „Nebentätigkeiten“, die das Dombauherren-Kollegium nie offiziell genehmigt hat. Wenn der neue Chorleiter weniger bis keine „Nebentätigkeiten“ hätte und sich mehr um die organisatorischen Fragen kümmern würde, könnte man die Kosten fürs „Musikmanagement“ sparen, das scheint ein Hintergedanke. „Vier Konzerte“ steht im informellen Entwurf für die Stellenausschreibung – das wäre eine Halbierung des künstlerischen Programms.

„Musikmanagement“ ist heutzutage eine professionelle Arbeit, die ein Musiker nicht nebenbei machen kann, das jedenfalls ist die Überzeugung des Chorsprechers Werbeck. Und im Chor hat man sich an die etwas chaotischen Seiten des Wolfgang Helbich gewöhnt – das gehöreeben zum künstlerischen Genius. Besonders verunsichert und verärgert ist man im Chor, weil man sich von den Dombauherren nach allen Regeln der Kunst vor vollendete Tatsachen gestellt sieht.

„Wir werden nicht als Partner ernst genommen, sondern als Dienstleister behandelt, die die Kirche zu füllen haben und mit denen man sonst nicht reden muss“, bringt ein Chormitglied die Stimmung auf den Punkt.