: Figaro hier – Figaro da, Figarooo
Tobias Richter richtet das Friseur-Singspiel von Rossini an der Deutschen Oper am Rhein speziell für Kinder ein
Am Ende der Vorstellung wirkte die Oberschul-Lehrerin enttäuscht. „Das war doch eher eine öffentliche Probe als eine Kindervorstellung – nichts wurde erklärt.“ Tatsächlich unterbrach kein Theaterpädagoge die vormittägliche Aufführung von „Figaro, der Barbier von Sevilla“ an der Deutschen Oper am Rhein. Es war für unvorbereitete Kinder in Düsseldorf sicher unmöglich, der wirren Handlung von Gioacchino Rossini zu folgen. Aber dieses Problem hatten die Figuren auf der Bühne auch. Wer intrigierte gerade mit wem gegen wen? Barbier, Doktor, Musiklehrer, Offizier, keiner schien wirklich Durchblick zu haben.
Fünf Schulklassen folgten der zweistündigen Aufführung dennoch aufmerksam. Manche Szene hätte für ein erwachsenes Publikum anders ausgesehen. So kommt Figaro auf einem Bonanzarad mit Elektroantrieb auf die Bühne gefahren. Durch angeklebte Auspuffrohre wirkt das Gefährt wie die Karikatur einer Harley Davidson. Mit seiner schwarzen Sonnenbrille hätte der Figaro auch mit „Sweet little sixteen“ beginnen können, doch er bleibt bei der klassischen Vorlage. Sein Solo ist den Kindern nicht fremd. „Das Lied kenne ich von der Nudelwerbung“, flüstert ein Zehnjähriger.
Auch sonst suchen die kleinen Besucher immer wieder Verbindungen zu ihrer Welt. Als die schmachtende, blonde, in pastellfarbenem Tüll gekleidete Rosina ihr erstes Solo vom Balkon schmettert, fühlt sich ein Mädchen an Barbie erinnert. Und Barbie und Barbier singen sogar gemeinsam. Doktor Bartolo, der Opern-„Bad Guy“, ist für die Jungs echt cool. „Der streckt dem Musiklehrer die Zunge raus,“ flüstert später ein Elfjähriger. Auf der Bühne ist eben mehr möglich als im Klassenraum. Das beeindruckt und wenn die Sänger wie Babys über die Bühne krabbeln, alle Hand in Hand wie wild vor Fieber zittern und der Figaro ein ganzes Gesicht mit Rasierschaum einschmiert, wird das Kichern richtig laut. „Der Graf hat eine Stimme wie Xavier Naidoo“. Auch die Art zu singen, ist heutigen Kindern also nicht ganz so fremd.
Ist die Enttäuschung der Oberschul-Lehrerin also unbegründet? Tatsächlich wird den Zuschauern wenig über die kulturhistorische Einbettung des Werkes in die damalige Zeit und seine heutige Bedeutung vermittelt. Aber auch bei Szenen, wo kein Klamauk herrscht, schauen die jungen Opernbesucher gebannt. Die Kids erleben eine andere Welt. Das schafft kein Trickfilm. Das schafft nur Theater. Der Plan von Schulministerin Sommer, jetzt alle Schüler zu Opernbesuchen zu „verpflichten“, geht also von einer falschen Prämisse aus. Die Kinder waren an diesem Vormittag begeistert. Die Ministerin sollte ihre Lehrer lieber dazu verdonnern, Opern mit Kinderaugen zu sehen und mit Kinderohren zu hören. Dann wäre viel gewonnen. LUTZ DEBUS
Figaro für Schulklassen22., 24. und 26. NovemberInfos: 0211-8925328