: Ein Bauantrag fürs atomare Endlager
Schwedens Atomstromproduzenten wollen ihren radioaktiven Müll zuerst in Kupferkapseln einschließen und dann 500 Meter tief in Granit vergraben. Alternativmodelle, die zehnmal tiefer ins Gestein vordringen, sollen nicht untersucht werden
AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF
In 6.000 fünf Meter lange Kupferkapseln eingeschlossen, 500 Meter tief im Berg versenkt – so sieht das schwedische Konzept der Endlagerung von Atommüll aus. Heute wird bei der Regierung in Stockholm ein Bauantrag für diese Einkapselungsanlage eingereicht. Svensk Kärnbränslehantering AB (SKB), ein Unternehmen, das den Atomstromproduzenten gehört, ist Vater des Konzepts und überzeugt, auch zwei geeignete Lagerstätten ausfindig gemacht zu haben. Beide liegen an der Ostseeküste – eine in der Nähe des AKW Oskarshamn, die andere in der Nachbarschaft des AKW Forsmark.
Ein Zufall ist diese Ortswahl nicht: Sie beruht weniger auf geologischen Voraussetzungen als auf der Akzeptanz für Atommüll in den betroffenen Gemeinden. Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit vor Ort haben mehr als zwei Drittel der Bevölkerung mittlerweile nichts mehr gegen ein Atomklo. Eine Stimmung, die ausgenutzt werden soll, um Nägel mit Köpfen zu machen. Von den sieben potenziellen Standorten, an denen man vor 15 Jahren die Endlagersuche begann, sind nämlich nur diese beiden übrig geblieben. Obwohl man sich woanders geringeren Widerstand versprochen und auch bessere geologische Voraussetzungen erhofft hatte, war SKB in einigen von Arbeitslosigkeit gebeutelten nordschwedischen Gemeinden auf ein klares Nein gestoßen, oder ein Erdbeben der Stärke 3,7 auf der Richterskala ließ Mehrheiten schnell wieder kippen.
Das SKB-Konzept beruht auf dem Glauben, dass der eine Milliarde Jahre alte schwedische Granit auch den Atommüll problemlos wegsteckt – zumindest für die nächsten 100.000 Jahre, in denen er noch strahlen wird. Das bezweifeln Kritiker. In 500 Meter Tiefe ist das Gestein von zahlreichen wasserführenden Spalten durchzogen, was zu einer Korrosionsgefahr für die Kupferbehälter führt. Vor einigen tausend Jahren und nach der letzten Eiszeit war Skandinavien ein Gebiet hoher seismischer Aktivität. Noch vor 900 Jahren erschütterte Schwedens Westküste ein Erdbeben zwischen Stärke 6 und 7. Es gibt keine Sicherheit, dass sich dies nicht wiederholen wird und die Kapseln aufbrechen könnten. Zudem sind die bergwerkähnlichen Schächte relativ leicht zugänglich – und somit ein potentielles Angriffsziel für Terroristen.
Eine alternative Lösung, den radioaktiven Abfall in fünf Kilometer Tiefe nebst nach Einlagerung wieder verschlossenen Bohrlöchern versenken zu können, hat bislang keine Chance bekommen, auch nur seriös untersucht zu werden. Aus Kostengründen ist die Atomwirtschaft daran interessiert, ihr schon vor drei Jahrzehnten entwickeltes Kapselkonzept durchzuziehen. Im letzten Herbst hatte der damalige Regierungschef Göran Persson die nun beantragte SKB-Methode als „offenbar unmodern“ bezeichnet; das Entsorgungsproblem als „noch nicht gelöst“ eingeschätzt. Solche Skepsis muss SKB bei der neuen Regierung aber nicht fürchten: Teile träumen gar von einer Renaissance der Atomkraft.