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Archiv-Artikel

Gansäuers Gefühl für die Wahrheit

Niedersachsens Landtagspräsident rühmt sich öffentlich, in China ungewöhnlich offen mit Studenten diskutiert zu haben. Intern räumt er dagegen ein, dass es sich dabei „um eine Inszenierung gehandelt habe“

Er denke „gerne“ an die „sympathische Diskussion zurück mit den vielen jungen Leuten“, freute sich gestern Jürgen Gansäuer. Fernöstliche Höflichkeit war angemessen, immerhin hatte Niedersachsens CDU-Landtagspräsident eine Delegation aus der chinesischen Partnerprovinz Anhui zu Gast – ein Gegenbesuch zu Gansäuers China-Reise im September, die wegen ihres hohen Freizeitanteils viel kritisiert worden war (taz berichtete). Ebenfalls in Hannover weilten gestern alte Bekannte von der Universität Hefei. Dort hatte Gansäuer mit Studenten geredet. „Erstmals“ habe es einen Landtagspräsidenten in China gegeben, „der mit Studentinnen und Studenten unzensiert diskutieren konnte“, rühmte er sich nach der Rückkehr.

Das wäre viel in einem Land, wo die Meinungsfreiheit wenig zählt. Aber so sagte es der Präsident auf einer Pressekonferenz Anfang Oktober. So ist es auch in dem Internet-Protokoll zu lesen, das der Präsident von der Pressekonferenz anfertigen ließ, weil er sich von angeblich unfairer Berichterstattung in seiner „Ehre getroffen fühlte“.

Wie offen die Diskussion war, erläuterte der Präsident wenige Tage später in einer Sitzung des Landtagspräsidiums. „Unter Umständen hätte er während der Pressekonferenz darstellen können“, sagte Gansäuer am 10. Oktober laut dem Protokoll, das der taz vorliegt, „dass zwar die Präsidiumsmitglieder hätten offen reden können, dass es sich jedoch von chinesischer Seite um eine Inszenierung gehandelt habe“. Die Studenten hätten „vorbereitete Fragen“ gestellt – aus dem Papier geht sogar hervor, dass eine kritische Studentin von der Diskussion mit den Niedersachsen ausgeschlossen worden war.

Gansäuers Sprecher sah gestern „keinen Widerspruch“ zwischen internen und öffentlichen Äußerungen. Der Präsident habe auch vor der Presse geäußert, alles sei „recht offen“ gewesen. Und „recht offen“, sagte der Sprecher, „ist eben nur recht offen“. KAI SCHÖNEBERG