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Archiv-Artikel

kirchner, kauf etc. Fragwürdige Transaktion

Die Neue Galerie in New York hat den Zuschlag bekommen. Für etwa 30 Millionen Euro konnte das an der Fifth Avenue gelegene Museum das Bild „Berliner Straßenszene“ (1913) von Ernst Ludwig Kirchner bei der Auktion von Christie’s ersteigern. Bislang hing des Gemälde im Berliner Brücke-Museum, ehe es an eine Erbin des jüdischen Kunstsammlers Hans Hess zurückgegeben werden musste. Dabei blieb bis zuletzt strittig, ob Berlins scheidender Kultursenator Flierl die Rückgabe voreilig eingeleitet hatte. Jedenfalls wird der Entscheid ein Nachspiel haben: Lutz von Pufendorf, Vorsitzender des Förderkreises Brücke-Museum e. V., verlangt für Berlin einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Hintergründe des Verkaufs klären soll.

In der Sammlung der Neuen Galerie ist das Kirchner-Gemälde nur ein Baustein unter vielen Kunstschätzen des deutschen und österreichischen Expressionismus. 2001 wurde das Museum in Erinnerung an den Kunsthändler Serge Sabarsky eröffnet, dem 1939 die Flucht vor den Nazis aus Wien nach New York gelang, wo er 1968 eine der führenden Galerien aufbaute. Vor allem war Sabarsky gut befreundet mit Ronald Lauder. Der Sohn der aus Österreich stammenden Kosmetikdynastin Estée Lauder hat nicht nur die Neue Galerie mitbegründet, er stattet sie als Kunstsammler auch großzügig aus: Im Juli war es Gustav Klimts „Porträt Adele Bloch-Bauer I“, für das Lauder 135 Millionen Dollar zahlte.

Dass er nun auch das Kirchner-Bild ersteigert hat, ist in mehrfacher Hinsicht ein fragwürdiges Unterfangen. Immerhin ist bekannt, dass Lauder den „Adele“-Kauf dadurch mitfinanziert hat, indem er drei Bilder von Egon Schiele aus der Sammlung der Neuen Galerie bei Christie’s versteigern ließ. Offensichtlich hat Lauder also kein Interesse an nachhaltigem Sammlungsaufbau, sondern heizt über das Museum schlichtweg den Kunsthandel an. Andererseits war der frühere US-Botschafter in Österreich auch 1998 wesentlich am Zustandekommen der Washingtoner Erklärung beteiligt, die die Rückgabe geraubter Kunstgüter an die Nachfahren von NS-Opfern sichern soll – und die auch für Kirchners „Straßenszene“ zugrunde gelegt wurde.

Laut von Pufendorf gab es im Vorfeld der Auktion den Versuch, sich mit Lauder über einen Verbleib des Gemäldes in Berlin zu einigen. Ohne Erfolg. Vermutlich war Lauder bereits seit 2004 auf das Bild aus. Damals hing es bereits in der Neuen Galerie: in einer Ausstellung mit Leihgaben der Staatlichen Sammlungen von Berlin. HARALD FRICKE