: Nicht autorisierte Verhöre bis zum Tod
Mehr als eine Kriminalgeschichte: Die freie Theatergruppe glassboth geht mit John Hopkins „Diese Geschichte von Ihnen“ auf Tour durch das Revier
VON SIMON KARSTEN
Ein unbekanntes englisches Kriminalstück in drei Akten. Über zweieinhalb Stunden lang. Von einer freien Theater-Gruppe inszeniert. Ein sehr eigenwilliges Vorhaben. Die Duisburger Theatergruppe glassboth (zu deutsch: Glaskasten, Glaszelle, steht für das Durchsichtige, das man den ZuschauerInnen vor Augen führen will) sieht sich auch nicht in Konkurrenz zu den großen Schauspielhäusern des Reviers. Sie fühlt sich eher zu Nischen hingezogen.
Nach dem Erfolg des Erstlingswerk „Mann im Glaskasten“ von Robert Shaw (2003 an der Universität Essen) und dem folgenden Stück von Patrick Marber („Hautnah“) entschieden sich glassboth und Regisseur Gordon Stephan erneut für ein Stück englischer Literatur der 1960er: „This Story of Yours“ von John Hopkins. Der begann seine Karriere als Studio-Manager für die BBC, bevor er sich als Drehbuchautor der populären TV-Polizeiserie „Z Cars“ Anfang der 1960er Jahre etablieren konnte, von der er über 90 Episoden verfasste. Von einigen Charakteren der Serie inspiriert, schrieb Hopkins dann die vierteilige Miniserie „Talking to a Stranger“, die als Höhepunkt seines Schaffens gilt.
Hierzulande eher selten am Theater zu sehen, hat sein erstes Bühnenstück (1969 erstmals in Deutschland unter der Regie von Peter Palitzsch in Stuttgart aufgeführt) mehr zu bieten als den erwarteten harten britischen Inspektor und einen spannungsgeladenen Mordfall: In England macht ein Kinderschänder die Gegend unsicher. Die Polizei tappt im Dunkeln. Detektive Sergeant Johnson glaubt in einem Verdächtigen den gesuchten Kinderschänder „instinktiv“ zu erkennen und prügelt ihn in einem nicht autorisierten Verhör zu Tode. Jetzt muss sich Johnson selbst als Täter verantworten
Die Entscheidung Hopkins, die Kammerspiel-Handlung nicht linear zu erzählen (die Ereignisse des dritten Aktes finden vor den ersten beiden statt), macht deutlich, dass der aufzuklärende Totschlag nur vordergründig interessiert. Wichtiger ist Hopkins die Darstellung der Persönlichkeitsentwicklung des Protagonisten. Im ersten Akt schreit der nach dem Totschlag nach Hause zurückkehrende und konsequent besoffenen Johnson (Hans Feind) seinen Welt-Ekel der Ehefrau (Kristina Rickal) ins Gesicht. Dem Hauptdarsteller Feind scheint das Herausbrüllen von Hasstiraden gegen den vermuteten Kinderschänder und andere gesellschaftliche Missstände wenig Überwindung abzuverlangen. Liegt möglicherweise daran, dass der 45-Jährige im wahren Leben arbeitslos und Hartz IV-Opfer ist. Auf der Bühne mutiert Feind zum Rumpelstilzchen mit psychotischen Zügen.
Unter den Darstellern ist kein ausgebildeter Schauspieler. Trotzdem wird die Persönlichkeits-Verschiebung des gescheiterten Johnson deutlich: Im dritten Akt, welcher das Verhör wiedergibt, sitzt der noch nüchterne Johnson neben dem harmlos wirkenden Verdächtigen Baxter (Rene Stockhausen), bis er seine Aggressionen dann komplett auf sein Opfer projiziert hat.
So, 12.11., 20:00 UhrRiff, BochumMi, 22.11., 20:00 UhrUnperfekthaus, EssenInfos: 0201-4304672