: „Im Bild beerdigen“
Senatsempfang Die Therapieeinrichtung „Refugio“ wird für 25 Jahre Arbeit mit Flüchtlingen geehrt
■ 61, ist Kunsttherapeutin und seit zehn Jahren Mitarbeiterin bei „Refugio“.
taz: Frau Köster, Sie arbeiten kunsttherapeutisch mit Flüchtlingen. Können Sie so auf Dolmetscher verzichten?
Gisela Köster: Bei Erwachsenen in der Regel nicht. Es gibt immer auch einen Sprechanteil und sei es nur, darüber ins Gespräch zu kommen, was gestaltet werden soll und mit welchen Materialien.
Welche Chance bietet die Kunsttherapie?
Es ist eine gute Möglichkeit, sich wieder als handelnd zu erleben, der Ohnmacht zu entgehen. Man macht etwas Praktisches, was über die Stunde Bestand hat, das stärkt das Erleben von Kontinuität. Außerdem wird der eigene Spielraum erweitert, man macht etwas Neues, erlaubt sich Gedanken an die Zukunft. Das ist wie ein Probehandeln, in dem etwas probiert wird, was man sich in der Realität noch nicht traut.
Haben alle schon mal künstlerisch gearbeitet?
Viele sagen erst mal nein, aber meistens merke ich doch, dass sie als Kind Erfahrungen gemacht haben und sei es nur, mit einem Stock im Sand zu malen. Auf diese positiv besetzten Erlebnisse kann man aufbauen.
Wie ist es mit figürlichem Zeichnen?
In Ausnahmefällen sagen Muslime, das erlaube ihre Religion nicht. Aber das ist selten. Eine Frau aus Afghanistan hatte zum Beispiel überhaupt keine Probleme damit, obwohl sie das noch nie gemacht hatte.
Malen Erwachsene wie Kinder direkt das, was sie Schreckliches erlebt haben?
Nein. Bei Kindern ist es tatsächlich oft so, dass sie Flugzeuge und Tote malen, da ist die Gewalt sehr heftig. Bei Erwachsenen versuchen wir, das nicht zu forcieren, die leben ohnehin mit den Erinnerungen, die ständig präsent sind.
Also nur abstraktes Gestalten?
Nein. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, auf Papier eine unterbrochene Handlung zu Ende zu bringen. Wenn jemand immer wieder von den Toten träumt, die auf der Straße lagen und er oder sie konnte nichts für sie tun, dann schlage ich vor, die Toten im Bild ordentlich zu begraben.
Und das funktioniert?
Ja, die Betroffenen finden oft für sich einen Abschluss, die Albträume, in denen sie sich von den Toten verfolgt fühlen, werden weniger oder können sogar ganz aufhören. INTERVIEW: EIB
16.30 Uhr, Obere Rathaushalle