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Archiv-Artikel

Vertrag ist Vertrag

DER AUSLÖSER Auf dem Höhepunkt des sportlichen Erfolgs trägt sich beim 1. FSV Mainz 05 Folgendes zu: Trainer Thomas Tuchel tritt zurück, Klubmanager Christian Heidel will ihn aber nicht gehen lassen. Was nun?

In Mainz hat man sich noch an seine Versprechen aus der Vergangenheit zu halten. Basta!

Über Mainz ist wieder einmal der Fluch der guten Tat gekommen. Trainer Thomas Tuchel hat den Verein am letzten Spieltag der Bundesliga in die Qualifikation zur Europa League geführt. Aber nicht nur wegen dieser guten Tat ist Tuchel dem Mainzer Milieu entwachsen. Er hat sich ähnlich wie einst Jürgen Klopp für anderweitige Aufgaben empfohlen bei Klubs, die mehr Finanzkraft haben und deren Ambitionen größer sind als die der Mainzer.

Das ist freilich eine Fügung, die Manager Christian Heidel nicht bereit ist anzunehmen. Tuchel möge seinen Vertrag bis Juni 2015 erfüllen. Heidel möchte den Fachmann schlichtweg nicht gehen lassen. „Im Übrigen waren der Trainer und ich nicht im alkoholisierten Zustand, als wir den Vertrag bis 2015 unterschrieben haben“, lässt Heidel wissen. Das Gezerre und Gebuhle potenterer Klubs um einen 05er-Coach habe er im Fall von Klopp sieben Jahre mitgemacht, bei Tuchel dauere diese Schose nun schon fünf Jahre an. Und da sich der Verein mit dem Präsidenten-Faktotum Harald Strutz und Dauer-Manager Heidel als Hort der Kontinuität versteht, pocht er pingelig auf Erfüllung des Kontraktes: „Alles was mit Kontinuität zu tun hat, da sind wir ganz vorn. Und das kann gern so bleiben“, sagt Heidel.

Wir haben es also mit einem klassischen Interessenkonflikt zu tun. Auf der einen Seite steht ein Trainer, der sich Meriten erarbeitet hat und nun den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gehen möchte. Auf der anderen ein Manager, der offensiv damit wirbt, dass in Mainz die Fußballwelt noch in Ordnung ist. Hier sei alles ein bisschen familiärer, kleiner, ehrlicher, verbindlicher. Daraus folgt, dass man sich in Mainz an seine Versprechen aus der Vergangenheit zu halten hat. Möge der Rest der Liga einen Arbeitsvertrag nur noch für einen bedeutungslosen Wisch halten, der bei Millionenangeboten anderer Vereine schnell mal zerknüllt werden darf, so gilt in Mainz noch das gedruckte Wort, und zwar schwarz auf weiß. Tuchel wiederum dürfte sich nicht als Vertragsbrüchigen sehen, denn er hat dem „kleinen“ Verein ja lange genug gedient und ihn jetzt noch einmal zum Abschluss seines Wirkens am Bruchweg an die europäische Bühne geführt. Ist das nicht ein Grund, dank- bar zu sein? Und hätte er nicht längst schon gehen können? Waren die letzten zwei Jahre nicht so etwas wie ein Geschenk von Tuchel an die Mainzer, die er trotz der Lockangebote gecoacht hat? Könnte der Klub angesichts der Tuchel’schen Treue nicht kulanter sein und ihn gehen lassen?

Heidel weiß, dass er nicht so schnell einen so guten Trainer finden wird, und deshalb mauert er im Interesse des Klubs. Vor geraumer Zeit habe Tuchel gebeten, den Vertrag aufzulösen, erklärt Heidel: „Wir haben diesem Wunsch nicht entsprochen. Daraufhin hat er gesagt, dass er in der Saison 2014/15 keinen Verein trainieren möchte. Man kann das einen Rücktritt nennen. Fakt ist, wir wollen den Vertrag nicht auflösen.“ Fragt sich nur, wie Heidel Tuchel aufhalten will?

Eine Antwort auf diese Frage erhofften sich die Medien am Sonntagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Mainz. Allein Heidel saß auf dem Podium. Tuchel hatte sich bereits am Samstagabend von der Mannschaft verabschiedet. Heidel rühmte den (Ex-)Trainer als „überragenden, außergewöhnlichen“ Übungsleiter. Auch wolle er in dem Dissens, der am Samstagnachmittag offenbar wurde, keinen „Krach“ sehen – man sei halt nur verschiedener Meinung. Dennoch will Heidel bei der harten Haltung bleiben: „Ich verstehe Thomas, aber Verträge sind Verträge, und die werden bei Mainz eingehalten.“ Der Klub wolle eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht vermeiden, sagte Heidel. Wie diese durchaus skurrile Situation allerdings rechtlich zu bewerten sei, wisse er nicht, gab der Manager zu. Nur so viel ist klar: Tuchel wird die Mainzer Mannschaft nicht mehr trainieren. Er erhält aber auch keine Freigabe für einen neuen Verein von den 05ern. Es bleiben Fragen über Fragen. Christian Heidel wird noch ein paar Pressekonferenzen zu „dieser Thematik“ geben müssen.

MARKUS VÖLKER