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Archiv-Artikel

„Schöffe zu sein ist eine Bürgerpflicht“

Die Landesjustizministerin will weiterhin Richter entscheiden lassen, welche Schöffen sie nehmen

taz: Frau Müller-Piepenkötter, finden Sie es richtig, dass einige Kommunen in Nordrhein-Westfalen BürgerInnen gegen ihren Willen zum Schöffenamt verpflichten?

Roswitha Müller-Piepenkötter: Die Tätigkeit der Schöffen ist eine Bürgerpflicht wie beispielsweise die der Wahlhelfer. Um sich ihr entziehen zu können, müssen schon gewichtige Gründe vorliegen.

Manchmal wird das Pflichtbewusstsein von BürgerInnen aber auch nicht belohnt – wie in Dortmund, wo der Vorsitzende Richter kürzlich eine Schöffin ausschloss, weil sie ein Kopftuch trug. Darf ein Richter das?

Grundsätzlich liegt es in der Sitzungsgewalt des Vorsitzenden, ob er die Verhandlung dadurch als beeinträchtigt sieht. Das ist nicht der erste Fall in Nordrhein-Westfalen.

Einen weiteren Fall gab es Anfang des Jahres vor dem Landgericht Bielefeld, bei dem die Strafkammer desselben Gerichts aber im Nachhinein der Kopftuchträgerin Recht gab. Das zeigt: Das Tragen des Tuches ist also doch umstritten.

Ich will die Entscheidung nicht kommentieren. Das soll auf dem dafür vorgesehen Rechtsweg geklärt werden.

SchöffInnen sollen möglichst viele Teile der Bevölkerung repräsentieren. Wäre es dann nicht gerade wichtig, auch Kopftuchträgerinnen vor Gericht zuzulassen?

Nochmals: Es ist Sache des Vorsitzenden Richters, darüber zu entscheiden, ob das Verhalten eines Schöffen oder einer Schöffin die Hauptverhandlung beeinträchtigt. Es gibt aber auch viele Muslime, die sich gerade durch das Kopftuch beeinträchtigt fühlen. Die Debatte haben Sie ja ausreichend in Ihrer Zeitung dokumentiert.

Müsste man die Kleiderordnung gesetzlich festlegen, damit SchöffInnen vorher wissen, was ihnen erlaubt sein wird?

Ich beabsichtige keine Gesetzesinitiative.

Aber Sie planen, Strafverfahren zu vereinfachen. Was bedeutet das für die Rolle der Schöffen?

Die Vorschriften für Schöffen und ehrenamtliche Richter sind davon überhaupt nicht berührt.

Aber in Zukunft soll es möglich sein, auch an Landgerichten Strafverfahren ohne Verhandlung zu beenden. Dann können Schöffen bei weniger Verfahren mitwirken.

Bei Strafbefehlen kommt es nicht zu Verhandlung, da sind die Schöffen natürlich nicht beteiligt. Das ist aber nicht die Zielrichtung unserer Gesetzesinitiative.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN