Australien entdeckt Klimaschutz

Die Regierung in Canberra ändert unter dem Druck von Meinungsumfragen ihre Einstellung zum Handel mit Kohlenstoffemissionen. Gleichzeitig wird der Ausbau erneuerbarer Energien torpediert

AUS CANBERRAURS WÄLTERLIN

Klimawandel in Australien: Ministerpräsident John Howard hat zum ersten Mal in Aussicht gestellt, die Beteiligung Australiens an einem globalen System des Handels von Kohlenstoffemissionen „prüfen zu wollen“. Er werde aber keinem Projekt zustimmen, „das die Interessen Australiens schädigt“, so der Regierungschef. Die Aussage vor Geschäftsleuten am Montag wurde von den australischen Medien gestern als „monumentale Bewegung“ in der Politik der konservativen Regierung gefeiert.

Vor wenigen Wochen hatte sich Howard noch als „Skeptiker“ bezeichnet, was die Ursachen des Klimawandels angeht. Obwohl pro Kopf der Bevölkerung weltweit der größte Verursacher von Treibhausgasen, ist Australien in Sachen Klimaschutz ein Außenseiter. Howard will weder das Kioto-Protokoll ratifizieren noch tief greifenden Maßnahmen zur Schadensreduktion zustimmen. Seine Begründung: jede Einschränkung der mächtigen australischen Kohleindustrie würde der Wirtschaft „unzumutbaren“ Schaden zufügen.

Erst als vor kurzem Meinungsumfragen zeigten, dass angesichts der seit Jahren anhaltenden Dürre 91 Prozent der australischen Bevölkerung Klimawandel als „ernsthaftes Problem“ empfinden, begann die Regierung zu handeln. Allerdings scheinen die angekündigten Maßnahmen eher kosmetisch: der ohnehin geplante Bau eines Solarkraftwerks sowie Subventionen für die Forschung der „Säuberung“ von Kohle. Zuvor hatte Howard eine Kommission ins Leben gerufen, die den Aufbau einer Atomindustrie in Australien untersuchen soll. Obwohl reich an Uranvorkommen, deckt das Land den Großteil seines Energiebedarfs mit Kohle. Kritiker meinen, die Atomkommission sei zusammengesetzt „aus Lobbyisten der Uranindustrie“.

Derweil nimmt unter Experten der Unmut über die Haltung Canberras gegenüber erneuerbaren Energieformen wie Wind- und Sonnenenergie zu. Man müsse an der schönen australischen Küste „alle paar hundert Meter eine Windturbine“ aufstellen, um den Bedarf an Energie zu befriedigen, meinte Howard kürzlich. Laut dem Experten Mark Diesendorf von der University of New South Wales in Sydney ist diese Aussage „einfach nicht wahr“ und hätte nur als Ziel, „den Leuten Angst zu machen“. Windfarmen würden weit weniger Fläche beanspruchen, als Howard behaupte, und würden meist im Inland platziert.

Dass sich die Regierung plötzlich des Solarstroms entsinnt, wird von verschiedenen Seiten mit Erstaunen begrüßt. Jahrelang wanderte die Solarindustrie ins Ausland ab, weil sie in Canberra keine Unterstützung fand. Hunderte von potenziellen Arbeitsplätzen wurden so exportiert. An einer Universität in Sydney entwickelte Solarzellen werden heute in China hergestellt – von einem ehemaligen Austauschstudenten. Laut Christian Langen, Direktor der deutschen Solarenergiefirma Conergy in Sydney, sieht Canberra erneuerbare Energien nicht als Chance, sondern als „grüne Dekoration“. Es fehle nur am politischen Willen, sagt Langen. „An Sonne sicher nicht.“