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Archiv-Artikel

Aachen verklagt Angela

Der Verein Aachener Friedenspreis zieht die Bundeskanzlerin vors Gericht. Die neue Strategie der Bundeswehr ziele auf völkerrechtswidrige Angriffskriege. „Es gibt eine aggressive neue Doktrin“

aus AACHEN MICHAEL KLARMANN

Die Aachener Friedenspreis-Initiative hat bei Generalbundesanwältin Monika Harms Strafanzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) gestellt. Als Verantwortliche für das „Weißbuch der Bundeswehr“ wirft die Friedensinitiative beiden Christdemokraten die „Vorbereitung von Angriffskriegen“ vor. Mögliches Strafmaß: zwischen zehn Jahren und lebenslanger Haft.

Das Ende Oktober vorgestellte „Weißbuch“ ist ein Strategiepapier über die Zukunft der Bundeswehr und ihre Einsätze. Otmar Steinbicker, Vorsitzender des Friedenspreis-Vereins, sieht im Buch zahlreiche Belege dafür, dass sich die Bundeswehr technisch und mit logistischen Planspielen darauf vorbereitet, sich an Angriffskriegen zu beteiligen oder selbst solche anzuzetteln. Hintergrund für neue, weltweite Kampfeinsätze könnten demzufolge sein: Sichern eines offenen Welthandelssystems, von freien Transportwegen, der Rohstoffzufuhr oder der Schutz vor unkontrollierter Migration.

„Das sind Pläne für eine „präventive Kriegsführung“, sagt Steinbicker. Damit werde das „auf Friedenspflicht angelegte Völkerrecht“ ausgehebelt. Sein Verein sehe durch die „aggressiv formulierte, neue Militärdoktrin“ den Paragrafen 80 des Strafgesetzbuches verletzt. Dieser stellt die Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe. Mit dem Weißbuch löse sich die Politik „nahezu vollständig vom bisherigen Verteidigungsbegriff“, sagt Steinbicker. So würden Militäreinsätze möglich, ohne dass zuvor ein Angriff auf das eigene Territorium oder das eines Bündnispartners stattgefunden habe oder unmittelbar drohe. Das widerspreche dem bundesdeutschen Grundgesetz.

Ob die gestern abgeschickte Strafanzeige Aussicht auf Erfolg hat, ist zweifelhaft. So hatten etwa Friedensinitiativen und die PDS im Dezember 2002 Anzeige gegen den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erstattet, weil dieser den „Angriffskrieg“ der USA gegen den Irak mit vorbereitet und unterstützt habe. Wegen des Kriegs gegen Jugoslawien hatten unter anderem Juristen Strafanzeige gegen Schröder und den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) erstattet. Bislang waren dies aber für die Generalbundesanwaltschaft keine Straftaten.

Der Aachener Friedenspreis e.V. ist die erste Initiative, die wegen des Weißbuchs Anzeige erstattet. Der renommierte Preis würdigt jährlich Menschen, die zur Völkerverständigung beitragen. Dem Verein gehören vierhundert Mitglieder an, darunter auch der DGB, kirchliche Organisationen und die Stadt Aachen. Sein Vorsitzender Steinbicker rechnet sich nur geringe Chancen für die Klage aus: Die Generalbundesanwältin ist Bundesbeamtin. Anders als unabhängige Richter müsste sie gegen die eigenen Auftraggeber ermitteln oder Anklage erheben.