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Archiv-Artikel

Freitod statt Pflege

ANKLAGE Hamburger Staatsanwälte werfen ehemaligem Hamburger Justizsenator Roger Kusch Totschlag vor. Als Chef eines Sterbehilfevereins soll er zwei Frauen suggeriert haben, ihr Suizid sei alternativlos

HAMBURG taz | Der wegen Totschlags angeklagte ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch hadert mit der Staatsanwaltschaft. Für seinen Anwalt Walter Wellinghausen, einst Staatssekretär von Hamburgs rechtspopulistischem Innensenator Ronald Schill, ist die Anklage „handwerklich nicht gelungen“. Es sei sein Ziel, dass das Gericht sie nicht zulasse und ein Prozess vermieden werde.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte am Montag verkündet, gegen den 59-jährigen Kusch und einen Arzt wegen gemeinschaftlichen Totschlags Anklage zu erheben. Sie wirft den Männern vor, im Rahmen ihrer Aktivitäten für den von Kusch gegründeten Verein „Sterbehilfe Deutschland“ 2012 zwei ältere Frauen „in mittelbarer Täterschaft“ getötet zu haben. Sie hätten die Frauen bei der Selbsttötung aktiv unterstützt, obwohl mindestens eine der beiden „mit ihrer Entscheidung“ zuletzt „gehadert“ habe. Über Alternativen zum Freitod seien die Frauen nicht informiert worden.

Kusch, das legt die Anklageschrift nahe, sei es darum gegangen, als Vorsitzender des Vereins einen juristischen Präzedenzfall zu schaffen. Wellinghausen, der auch den beschuldigten Arzt vertritt, betont: „Suizid ist nicht strafbar.“ Deshalb dürften auch Helfer nicht strafrechtlich verfolgt werden. Kusch kündigte an, die Vereinsarbeit „ohne Wenn und Aber weiterzuführen“.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Kusch derweil vor, seinem „Geltungsdrang“ seien zwei Menschen zum Opfer gefallen. „Es wird deutlich, dass sich das Angebot der Sterbehelfer nicht vornehmlich an Schwerstkranke wendet“, kritisierte der Stiftungs-Vorsitzende Eugen Brysch. Beide Frauen hätten keine schwere Krankheit, sondern Angst vor Pflege gehabt.

Die Ärztekammer Hamburg spricht derweil von einer „unerträglichen Selbstinszenierung“ des ehemaligen CDU-Justizsenators. „Ich hoffe sehr, dass die Justiz Herrn Kusch und seinen Helfern das Handwerk legt“, sagt Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. Die Kammer fordert ein Gesetz gegen kommerzielle Sterbehilfe. MARCO CARINI

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