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Archiv-Artikel

Ulles Mobilmachung

Jan Ullrich arbeitet an seinem Comeback. Er bezieht ein Trainingslager in Südafrika. Und um die Blutdoping-Vorwürfe soll sich nun der ostdeutsche Promi-Anwalt Peter-Michael Diestel kümmern

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Vor ein paar Wochen waren mitleiderregende Schnappschüsse von Jan Ullrich in der Bild-Zeitung zu sehen. Man erblickte einen korpulenten Mann, der Abfalltüten zum Container trägt, der wiederum mit einem Vorhängeschloss gegen Müll-Paparazzi gesichert ist. Die Bildsprache ließ sich leicht übersetzen: Der Dopingverdächtige verkriecht sich in seinem Haus in der Schweiz, er trainiert offensichtlich nicht mehr und futtert maßlos. Der Leser musste sich Sorgen machen um den Tour-de-France-Sieger von 1997. Vor wenigen Tagen druckte das Boulevardblatt dann ein Foto, auf dem Ullrich sich sehr schnittig präsentierte: Er fährt in schwarzer Radlermontur über eine Landstraße. Die Pausbacken scheinen wie von Geisterhand geliftet. Die Botschaft: Uns Ulle, der Radler der Nation, will’s wieder wissen. Der 32-Jährige lieferte prompt passende Zitate nach. Kampflos gebe er nicht auf. „Mein Ziel ist es, den angestauten Ärger auf dem Rad abzubauen. Wenn mir das gelingt, habe ich verdammt viel Energie“, so Ullrich.

Die Mobilmachung geht unterdessen weiter. Ullrich ist gestern zu einem Trainingslager nach Südafrika aufgebrochen. Und in Deutschland meldet sich Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel (54) zu Wort, der Ullrich künftig vertreten wird. Diestel, in der DDR als Abteilungsleiter der Agarindustrie-Vereinigung Delitzsch weniger in Erscheinung getreten, ist eine schillernde Figur in der Szene der Rechtsvertreter. So manchem Greis aus der DDR-Politnomenklatura hat er das Schlussplädoyer gehalten, aber auch in Dopingfragen ist Diestel durchaus bewandert. Im Magdeburger Prozess gegen den Leichtathletiktrainer Thomas Springstein, der wegen Körperverletzung minderjähriger Sportlerinnen angeklagt war, trat Diestel als polemisierender Rechtsbeistand auf. Nun will er sich um Ullrich kümmern, gegen den Staatsanwälte in Bonn und Hamburg ermitteln. Auch das Sportgericht des Schweizer Radsportverbandes könnte ein Verfahren gegen Ullrich anstrengen, obwohl dieser seine Lizenz im Alpenland zurückgegeben hat. Diestel ist optimistisch, dass er dem Verdacht des Blutdopings begegnen kann. „Ich möchte einen der prominentesten und bedeutendsten deutschen Radsportler in das Leben zurückbringen, in das er gehört“, sagte er der Ostseezeitung. Unter Umständen werde Ullrich sogar eine DNA-Probe abgeben, um seine Unschuld zu beweisen, steckte er der Netzeitung.

Obwohl die Ermittlungsprotokolle der Guardia Civil, die zum Teil im Internet auf der Seite www.interpool.tv einzusehen sind, Belastendes zutage fördern, darf Ullrich wohl mit einer milden Strafe rechnen. Anderen mutmaßlichen Blutdopern ging es ja auch nicht an den Kragen. Der Italiener Ivan Basso wurde mangels Beweisen, wie es hieß, gar nicht erst von einem Sportgericht angeklagt, der Kolumbianer Santiago Botero ebenso. Sie dürfen künftig wieder mitradeln, Basso sogar für den Toprennstall Discovery Channel. Ullrich wird mit dem russischen Bierbrauer Oleg Tinkow in Verbindung gebracht. Doch die Tinkow-Radler haben keine Pro-Tour-Lizenz, müssten also bei großen Rennen, zum Beispiel den Frühjahrsklassikern, zuschauen, bei der Tour de France sowieso. Doch auch hier naht Rettung für Ulle. Der Spanier Manolo Saiz, ehemaliger Manager von Liberty Seguros und selbst Dopingvorwürfen ausgesetzt, verfügt über eine solche Lizenz. Saiz muss dem Weltverband UCI nun bis Ende November beweisen, dass er in der Lage ist, ein neues Team zu bilden – möglicherweise mit Jan Ullrich.