Du schläfst so laut

Ein Märchen für Erwachsene im sardischen Idyll: „Rauchzeichen“, der neue Film von Rudolf Thome

Rudolf Thome dreht Märchen für reife Erwachsene. Was unterscheidet ein Märchen für Erwachsene von einem für Kinder? Im Zentrum der Handlung stehen ältere Menschen, die jungen spielen nur Nebenrollen, auch die Elemente des Fantastischen – sprechende Tiere, Zaubernüsse, Feen – sind weniger ausgeprägt. Sonst geht es bei Thome tatsächlich wie im Märchen zu: Menschen werden von Flüchen erlöst, Wünsche werden wahr, und alles endet im Hochzeitsglück.

Schon der Handlungsort von „Rauchzeichen“ ist märchenhaft: Sardinien. Für den Kreis derer, die einst als „Aussteiger“ bezeichnet wurden, stellt die Mittelmeerinsel eine Art Toskana mit längerem Küstenstreifen dar. Wie es die beiden Freundinnen, ganz dem Genre nach Isabella und Annabella geheißen, hierher verschlagen hat, verrät Thome in seinem Film allerdings nicht. Aber wir sind eben nicht in der Realität, sondern im Märchen. Die Freundinnen haben sich auf jeden Fall ein wunderschönes Anwesen weitab von jeder Stadt ausgesucht und führen dort eine Pension. Ihre Gäste suchen sie sich nach strenger Prüfung selbst aus. Isabella hat eine Tochter, Annabella einen Sohn, beide im Pubertätsalter und einander herzlich zugetan.

In diese Idylle sieht man nun Jonathan (Karl Kranzkowski) einfliegen, seines Zeichens erfolgreicher Geschäftsmann aus Los Angeles. Als er ankommt, sitzt bereits ein kauziger Kerl im Vorgarten, der nicht mit ihm reden will. Was den Eindruck, dass Isa- und Annabella an einem verwunschenen Ort leben, nur verstärkt. Jonathan fühlt sich auf Anhieb sehr wohl, woran der Zuschauer gleich erkennt, dass sich hier einer zum Prinzen und Ritter berufen fühlt. So verliebt er sich auch prompt in Annabella (Hannelore Elsner), und gleich darauf stellt sich heraus, dass er der Exmann von Isabella (Adriana Altaras) ist und dazu der Vater ihrer Tochter Jade (Joya Thome). Wozu sich jede Vorabendserie mindestens zehn Folgen Zeit ließe, ist hier binnen 20 Minuten geklärt. Denn Thomes Interesse gilt nicht den Niederungen dieser Soap-Opera-Verwicklungen, sondern den poetischen Momenten der reifen Liebe, die er mit allen Facetten vor die Kamera bringt: Wir sehen Hannelore Elsner und Karl Kranzkowski beim gemeinsamen Gärtnern, beim Händchenhalten in der schönen Landschaft und beim Sex. Was sonst passiert – Bauarbeiten, ein Mord und ein Selbstmord –, ist nur Garnitur.

„Du schläfst so laut, geh bitte in dein Zimmer“, fordert Annabella ihren schnarchenden Geliebten in der ersten gemeinsam verbrachten Nacht auf. Solch bruchloser Übergang von hoher Liebes- in gewöhnliche Alltagslyrik war stets die Stärke von Thomes Filmen. In „Rauchzeichen“ gibt es davon aber entschieden zu wenig, zumal er in der unsympathischen deutschen Parallelgesellschaft Italiens spielt. Was man ihm allerdings noch weniger verzeihen will, ist die Handlung rund um eine „arabische Prinzessin“, mit der der Regisseur offenbar den Anspruch erhebt, ein Stück problematischer Gegenwart in sein Märchen hereingeholt und auch noch gleich „gelöst“ zu haben.BARBARA SCHWEIZERHOF

„Rauchzeichen“. Regie: Rudolf Thome. Mit Hannelore Elsner, Adriana Altaras u. a. Deutschland 2005, 124 Min.