Ade, Frust von Kopenhagen!

KLIMAGIPFEL Die UN-Konferenz in Cancún geht in die entscheidende Phase: Die Stimmung ist gut, es gibt viele Gemeinsamkeiten. Eine Garantie für einen Durchbruch ist das nicht

China deutet an, internationale Kontrollen seiner Klimapolitik zulassen zu wollen

AUS CANCÚN BERNHARD PÖTTER

Draußen scheint die warme Sonne der Karibik. Und auch in den gut gekühlten Verhandlungssälen des Moon-Palace-Kongresszentrums ist die Stimmung deutlich gemütlicher als vor einem Jahr im eisigen Kopenhagen. Nicht einmal die Enthüllungen von Wikileaks über die Tricks und Drohungen der US-Klimapolitik gegenüber kleineren Staaten konnten die gute Laune verderben. Zum Beginn der entscheidenden Phase bei den UN-Klimaverhandlungen im mexikanischen Cancún, der Ministerrunde, mehren sich die Anzeichen, dass es durchaus zu Fortschritten kommen kann.

Einigkeit bei Regenwald

Alle Seiten zeigen sich gesprächsbereit und flexibel, es gibt Fortschritte bei Detailfragen und eine grundsätzlich positive Stimmung, sagen Verhandler und Beobachter. Was nicht heißt, dass ein Abkommen garantiert ist. Und schon gar nicht, dass ein solcher Abschluss den Anforderungen des internationalen Klimaschutzes genügen würde.

Immerhin haben sich Frust und die Bitternis von Kopenhagen verzogen. Vor dem Schlussspurt sind einige Fragen so gut wie geklärt: Beim Schutz des Regenwalds, bei der Weitergabe von Ökotechniken von den reichen an die armen Länder, bei der Hilfe zur Anpassung an den Klimawandel dort, selbst bei der Finanzierung dieser Vorhaben durch einen neuen Klimafonds sind sich die Parteien „weitgehend einig“, sagt Christoph Bals von der Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Dazu trägt eine wichtige Lehre aus dem gescheiterten Kopenhagen-Gipfel bei: In Cancún soll nicht alles oder nichts entschieden, sondern ein „ausgewogenes Paket“ aus den einzelnen Interessen geschnürt werden.

Anstöße kommen aus verschiedenen Richtungen: Gerade hat das Klimawandel-Komitee der britischen Regierung eine radikale Kohlenstoffdiät verordnet: Bis 2030 soll das Königreich seine Emissionen um 60 Prozent senken. Und weil das keine unverbindliche Empfehlung, sondern ein hartes Gesetz ist, kommt es auf der Konferenz gut an, wo die Industriestaaten bisher echte Reduktionsverpflichtungen vermissen lassen.

Aus den Arbeitsgruppen berichten die Verhandler von technischen Fortschritten, ein Zeichen dafür, dass nicht über Gebühr blockiert wird. Der deutsche Unterhändler Karsten Sach preist Venezuela als „sehr konstruktiv“ – das Land, das unter seinem Staatschef Hugo Chávez in Kopenhagen lautstark gegen den Exklusivdeal von USA und China protestiert hatte. Todd Stern, Chefunterhändler der USA, ist sich „ziemlich sicher, dass wir ein Abkommen bekommen“. Indien hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, wonach sich fast alle Länder zu mehr Transparenz in ihrer Klimapolitik verpflichten sollen – eine alte Forderung der USA. Und China ließ verlauten, man könne sich entgegen der sonstigen Politik vielleicht vorstellen, seine Klimaschutzmaßnahmen begutachten zu lassen und seine nationalen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und zu erneuerbaren Energien als internationale Verpflichtungen festzuschreiben.

Großbritannien will 60 Prozent CO2-Emissionen bis 2030 einsparen

„Das will ich erst schriftlich sehen“, war die Reaktion des deutschen Unterhändlers Sach dazu. Auch andere Beobachter sind skeptisch. „Die Stimmung ist gut, aber jetzt muss man konkret werden“, sagt WWF-Klimaexpertin Regine Günther.

Alles hänge an der Frage, wie es mit dem Kioto-Protokoll weitergeht: Lassen die Industrieländer ihre Ziele von Kopenhagen dort für nach 2012 festschreiben? Und lassen die anderen Staaten, auch die Schwellenländer, sich ebenfalls rechtlich verbindlich auf diese Ziele festlegen, in einem parallelen Abkommen?

Angst vor dem Versagen

Die entscheidenden Texte müssen mit Geschick so formuliert werden, dass sich Mehrheiten dafür finden lassen. „Ein mögliches Scheitern von Cancún würde den gesamten UN-Prozess zum Klimaschutz infrage stellen“, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) an seinem ersten Arbeitstag auf der Konferenz. „Niemand will hier mit leeren Händen nach Hause fahren.“ Aber die Gespräche seien manchmal langsam und schwierig: „Ein Scheitern ist immer möglich.“