: Mit Blaulicht in die Katastrophe
Die Bundesregierung plant Budgetkürzungen beim Rettungsdienst. Mediziner warnten auf einem Kongress zur Notfallmedizin in Hamburg, dass die Rettungszeiten sich gefährlich verlängern werden. Interview mit dem Intensivmediziner Peter Sefrin
INTERVIEW: LISA THORMÄHLEN
taz: Herr Sefrin, den Rettungsdiensten soll das Budget gekürzt werden. Rast die Notfallmedizin mit Blaulicht gegen die Wand?
Peter Sefrin: Wir haben jetzt schon Defizite, die aber zum Teil noch aufgefangen werden können – durch ehrenamtliche Aktivitäten zum Beispiel. Wenn wir jedoch die pauschale Kürzung um drei Prozent bekommen, wird es zum Problem.
Was bedeutet das für die Patienten?
Wenn nicht mehr gezahlt wird, muss gespart werden. Und zwar dort, wo das meiste Geld verbraucht wird. Im Rettungsdienst sind 80 Prozent des Geldes Personalkosten. Durch Personalabbau würde sich die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes verlängern.
Wer würde die Kürzungen am deutlichsten zu spüren bekommen?
Im ländlichen Raum wäre das Problem gravierender als in der Stadt. Sollten die Kürzungen tatsächlich nötig werden, müssten sie konsequent überall erfolgen, nicht nur in der Stadt. Auf dem Land haben wir ohnehin eine geringere Vorhaltung. Die Eingriffszeiten des Notarztes sind hier bereits um bis zu drei Minuten länger als in der Stadt.
Sind Einsparungen an anderer Stelle im Rettungsdienst möglich?
Mehr einzusparen als bisher ist kaum möglich. Dass gespart werden muss, ist ja nicht neu. Es wurde zum Beispiel bei der Beschaffung der Fahrzeuge gespart. Früher hat jeder Standort seine Rettungswagen selbst bestellt. Jetzt gibt es für das ganze Land nur noch einen Fahrzeugtyp. Effizienter geht es nicht.
Haben künftig Unfallpatienten in kleinen Orten, beispielsweise in Schleswig-Holstein, schlechtere Überlebenschancen als die in Großstädten wie Kiel?
Es gibt bereits deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land, aber das ist systembedingt. Derzeit ist dieser Unterschied noch nicht so gravierend, dass der Patient deshalb zu Tode kommt. Wenn man bei diesem System noch Abstriche macht, kann sich dieser Unterschied hinterher jedoch so auswirken.
Auf der Tagung in Hamburg sagten Sie, ein schneller Rettungseinsatz könne nicht nur großes menschliches Leid verhindern, sondern auch viel Geld sparen. Wie das?
Wenn man in den Rettungsdienst investiert, können Folgekosten reduziert werden. Doch in Deutschland sind wir mittlerweile bei einem Schubladendenken angelangt. Die Folgekosten interessieren die Krankenkassen nicht, denn die werden aus anderen Töpfen bezahlt. Rehabilitation ist zum Beispiel nicht Sache der Krankenkassen.
Was ist Ihre Forderung?
Es ist notfallmedizinisch nicht vertretbar, diese drei Prozent einzusparen. Wir können nur verlangen, dass diese Vorgabe zurückgenommen wird. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich im Augenblick die Schwierigkeit, mit so einer Forderung durchzukommen.
Worin liegt diese Schwierigkeit?
Wir reden von ganzen zwei Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen. Und diese zwei Prozent sind wieder zusammengefasst unter dem Posten ‚Fahrtkosten‘. Das heißt, die Notfallversorgung ist wieder nur ein Teil dieser zwei Prozent. Für den Staat hat das keine große Bedeutung. Das sind Peanuts, wie man so sagt. Für den Bürger ist das aber von ganz wesentlicher Bedeutung.
Haben die Proteste von den Johannitern, dem Arbeitersamariterbund und dem Deutschen Roten Kreuz etwas gebracht?
Dabei ist leider nichts herausgekommen. Es ist unwahrscheinlich, dass man an den Plänen noch etwas ändern kann.