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Archiv-Artikel

Ein Nationalheld mit zwei Pässen

Ferenc Puskás ist tot. 79 Jahre alt wurde der herausragende Spieler des ungarischen Wunderteams der Fünfziger

„Er schrieb die glanzvollsten Seiten der ungarischen Fußballgeschichte“, schwärmt die ungarische Fremdenverkehrswerbung. Ferenc Puskás war das, was man einen Nationalhelden nennen konnte. Als er, der politische Flüchtling, 1981, also noch lange vor dem Systemwechsel, zum Länderspiel gegen England im Budapester Stadion gesehen wurde, erhob sich das Publikum zu spontanem und lang anhaltendem Beifall.

In Ungarn kann man heute noch bei älteren Männern leidenschaftliche Ausbrüche provozieren, wenn man auf die Fußball-WM 1954 zu sprechen kommt. Ungarn verlor bekanntlich in Bern das Finale gegen Deutschland 2:3. Der in der vorletzten Minute von Puskás geschossene Ausgleich wurde wegen Abseits annulliert. Der große Favorit wurde geschlagen, obwohl die Ungarn die deutsche Elf in der Vorrunde noch 8:3 abgefertigt hatten. Allerdings wurde bei diesem Match der magyarische Stürmerstar Puskás vom deutschen Innenverteidiger Werner Liebrich so schwer blessiert, dass er erst zum Endspiel wieder auf den Rasen konnte.

Die Niederlage in Bern war einer der wenigen Tiefpunkte in dem an Höhepunkten reichen Leben der Fußballerlegende. Schon mit 15 Jahren wurde er in die Herrenmannschaft seines Heimatbezirks Kispest berufen. Die Sozialisation in einem Haus mit 32 Erwachsenen und 132 Kindern und der fußballbegeisterte Vater, der als Trainer fungierte, dürften geholfen haben. Mit 18 Jahren wurde das nur 1,59 Meter große Talent erstmals in die Nationalmannschaft berufen. Da Puskás selbst Offizier war, bekam er den Spitznamen „der galoppierende Major“ verpasst. Sein behender Umgang mit dem Ball war bald legendär. Schon im ersten Jahr schoß er Budapesti Honvéd mit 50 Toren zum Meistertitel. In den grauen Jahren der kommunistischen Machtergreifung und der Unterwerfung unter die Sowjetunion war nichts besser geeignet als der Fußball, um den angeknacksten ungarischen Nationalstolz zu pflegen.

In den 1950er-Jahren blieb die ungarische Mannschaft 32 Spiele lang ungeschlagen. Erst das tragische WM-Finale in Bern beendete die unglaubliche Serie. 84 Tore erzielte er in 85 Spielen, so viel wie niemand sonst in der ungarischen Nationalmannschaft. Auch im „Match des Jahrhunderts“ am 25. November 1953 traf er zwei Mal: Die Ungarn siegten bei den bis dahin zu Hause ungeschlagenen Engländern im Wembley-Stadion mit 6:3. Vor dem Match hatten die Gegner sich noch lustig gemacht über den kleinen, übergewichtigen Star. Im Rückspiel, das im folgenden Mai stattfand, gingen die Engländer gar 1:7 unter.

Spätestens da konnte jedes Kind in Ungarn die Namen der „Goldenen Elf“ herunterbeten. Das Wunderteam fand sein plötzliches Ende mit dem Aufstand im Oktober 1956. Kurze Zeit zirkulierte das vom Rias Berlin verbreitete Gerücht, Puskás sei in den Reihen der Rebellen gefallen. Manche Schulen riefen zur Schweigeminute auf. Doch der Torschützenkönig lebte und setzte sich erst einige Wochen später ins Ausland ab. Ungarn sollte nie wieder solche fußballerischen Höhen erleben.

Puskás heuerte in Madrid an. Zusammen mit Alfredo di Stefano schoss er Real an die europäische Spitze und gewann mehrmals den Europapokal. Nach der Einbürgerung spielte er bei der WM 1962 in Chile für Spanien, konnte aber das Ausscheiden in der Vorrunde nicht verhindern. 39 Jahre war er alt, als er 1966 die aktive Karriere beendete.

Die anschließende Trainerlaufbahn verlief nur mäßig erfolgreich. Zwar konnte er Panathinaikos Athen 1972 zum griechischen Meister machen, doch in Ägypten, Paraguay und Australien blieben Seriensiege aus. In Budapest, wo er gestern mit 79 Jahren starb, erinnert die modernste Sportarena Ungarns, das 70.000 Zuschauer fassende „Puskás Ferenc Stadion“, an den größten Sportler des Landes.RALF LEONHARD