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Archiv-Artikel

Lang anhaltende Augenbäder

BILDENDE KUNST Adelheid Metzger Modersohn zeigt in der E.T.A. Galerie in der Slevogtstraße ihre beeindruckenden Farbstudien: Ihre Ölarbeiten haben Aquarellqualitäten

Von HENNING BLEYL

Heißt man mit Nachnamen Becker oder Metzger und heiratet dann einen berühmten Maler – oder dessen Enkel –, dann geht man schon rein nominativ in die Kunstgeschichte ein. Das Gute an den Arbeiten von Adelheid Metzger Modersohn ist, dass sie sie ohne den geringsten Verweis auf Enzyklopädien, Bremer Hausheilige oder sonstige externe Bezugnahmen perfekt „funktionieren“ – als Oeuvre einer Künstlerin, die sich in ihrem Quelkhorner Atelier eine derart intensive Auseinandersetzung mit Farbigkeit liefert, dass man sich in die Ergebnisse stundenlang versenken könnte.

Dazu ist derzeit in der E.T.A. Galerie in der Schwachhauser Slevogtstraße Gelegenheit. Direkt gegenüber des Reiterdenkmals liegen die lichtdurchfluteten Räume, die insbesondere von ethnologisch interessierten Kunstkreisen gern besucht werden. Metzgers Modersohns Malereien haben eine Ausstellung chinesischer Textilkunst abgelöst und teilen sich den Platz nun mit alten afghanischen Möbeln.

Diese Begegnung tut beiden Teilen gut. Das verwitterte Holz der zum Teil mehrere Jahrhunderte alten Stücke zeigt eine Monochromie ganz eigener Art, der mit Metzger Modersohns Werken durchaus korrespondiert. Auch deren Trocknungsspuren verwandeln sich durch verschiedene Blickwinkel in zarte Reliefe. In Licht-Landschaften, deren Schattenanteile Spannung bewirken.

Metzger Modersohns Bilder sind sonst überwiegend in niedrigen Worpsweder Räume zu sehen. Im hohen Altbau der E.T.A. Galerie scheinen sie optisch förmlich aufzuatmen: Ein Höhepunkt der Ausstellung ist eine Reihe von sechs Arbeiten, die im Hauptraum der Galerie hängt: 60 mal 40 Zentimeter messende Blaustudien, deren eingesprengseltes Spektrum von Helltürkis bis zu Rostviolett reicht. Wer Glück hat, besucht die E.T.A. Galerie an einem sonnigen Tag, der von vielen Wolken durchzogen wird. Dann verselbständigen sich die Oberflächen in einem höchst lebendigen Spiel aus Tiefe und aufschimmernden, besonders intensiv reflektierenden Partikeln – ein Augenspiel, auf das man sich allerdings nur mit den Leinwänden einlassen kann. Metzger Modersohns Papierarbeiten hängen in der Regel hinter Glas, was sie der unmittelbaren Anmutung etwas entzieht.

Diese Papierwerke sind gleichwohl integraler Bestandteil des Schaffensprozesses, wie die Hängung in der E.T.A. Galerie gut nachvollziehbar macht: Da treffen sich etwa die scharfspitzigen blauen Dreiecksgebilde, die die Selgelfliegerin Adelheid Metzger Modersohn erst klein in Papier, und Jahre später auf Leinwand formte. „Das Experiment passiert bei mir auf Papier“, sagt die Malerin – um diesen Satz gleich wieder in Frage zu stellen. „Mittlerweile kann ich das auch auf Leinwand“, sagt sie dann zu Recht – man muss nur einen Blick, besser natürlich ganz viele, auf „Ohne Titel 1999“ werfen – ein für Metzger Modersohn durchaus typischer Werktitel, hinter dem sich ein wildfluffiges Mäandern weißrotbläulicher Schlieren verbirgt.

Metzger Modersohn arbeitet primär mit Öl. Allerdings in starker Verdünnung, schon um die – früher auch an den Kunstakademien ignorierten – gesundheitlichen Schäden durch Dämpfe zu vermeiden. Acryl allerdings trocknet für Metzger Modersohn Bedürfnisse zu hell auf, ist also keine Alternative. Künstlerisch hat die Öl-Verdünnung den Effekt, dass vieles fast wie Aquarellmalerei wirkt: Dünne, übereinander lasierte Schichten, die selbst kleine Flächen mit Tiefe beglücken. „Ich muss immer wieder auf neues Licht reagieren“, sagt Adelheid Metzger Modersohn, die nicht selten in ihrem Atelier übernachtet: Morgendämmerung, Mittagssonne, Abendtönungen – alle diese Qualitäten fließen auf die Leinwand.

Der zweite große Raum der Galerie erlaubt überraschende Durchblicke. Von der gewaltigen Kiefer im Hof mit ihren tiefgrünen Büscheln zieht sich ein optischer Faden über das Nadelholz des afghanischen Mobiliars bis zu einer Reihe von wunderbaren Grünstudien an der Innenwand – unter denen lediglich die kleinen roten „Bereits verkauft!“-Punkte das braungrüne Augenbad stören. Allerdings kann man sie gut verstehen – die Punktekleber.

Bis zum 18. Dezember in der E.T.A. Galerie, Slevogtstraße 54. Öffnungszeiten: Samstag von 11 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag von 16 bis 20 Uhr, ansonsten nach Vereinbarung