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Archiv-Artikel

EU kippt deutschen Klimaplan

Die Regeln für den Emissionshandel müssen überarbeitet werden. Die Industrie schneide darin zu gut ab, moniert die Europäische Kommission. Umweltminister Gabriel passt das gar nicht. Er will sich als Klimaschützer profilieren

AUS NAIROBI NICK REIMER

Deutschland muss seinen Nationalen Allokationsplan NAP II überarbeiten. Nach Informationen der taz wird die EU-Kommission den Plan zur Senkung des Treibhausgasausstoßes nicht genehmigen. „Es gibt im Wesentlichen zwei Beanstandungen“, hieß es aus Kreisen der Deutschen Regierungsdelegation auf der Klimakonferenz in Nairobi. Wie es aus Kreisen des Bundesverbandes Emissionshandel heißt, moniert die EU, dass der Plan von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel der deutschen Industrie zu wenig abverlangt.

Nationaler Allokationsplan – dieses Wortungetüm steht für praktischen Klimaschutz: Der Staat gibt den Unternehmen kostenlos eine bestimmte Anzahl von Verschmutzungsrechten – die sogenannten Kohlendioxid-Zertifikate. Wer die Luft weniger verschmutzt, als er Rechte dafür hat, spart Verpestungsgutscheine. Die kann er auf dem Markt zu Geld machen. Wer mehr verpestet – also Klimasünder ist –, muss zukaufen. So entsteht Druck zu mehr Klimaschutz.

Allerdings nur, wenn der Staat die Rechte Schritt für Schritt reduziert, dass Recht auf Klimaverschmutzung also stetig sinkt. Genau dort liegt die zentrale Kritik der EU: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte in Brüssel beantragt, dass Deutschland in der zweiten Handelsperiode 2008 bis 2012 die Atmosphäre jährlich mit 482 Millionen Tonnen CO2 verpesten darf. Viel zu viel, sagt nun die Kommission. Allenfalls 466 Millionen Tonnen sollen Deutschland zugestanden werden, andere Quellen sprechen gar nur von 460 Millionen Tonnen. Nur so würde jene Verknappung der Zertifikate erreicht, die dann tatsächlich zu Investitionen in den Klimaschutz führt.

Außerdem sei die sogenannte Reserve von 20 Millionen Tonnen viel zu klein. Die Reserve ist für neu zu bauende Anlagen gedacht. Das Öko-Institut hatte gefordert, diese Reserve zu verdoppeln – schon um den Druck zum Neubau von effizienteren Kraftwerken zu erhöhen. „Nach meinen Informationen folgt die Kommission in ihren Forderungen diesen Größenordnungen“, sagt Jürgen Hacker, Vorsitzender des Bundesverbandes Emissionshandel.

„Gabriel wird einen neuen Vorschlag zur Überarbeitung des NAP II machen“, bestätigte Frank Schwabe, NAP-II-Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion gestern der taz. Dafür spricht auch, dass Ministerialrat Franzjosef Schafhausen nicht in Nairobi ist, wo er eigentlich als Experte gebraucht wurde. Schafhausen ist zuständig für den NAP II, nach Angaben von Jürgen Hacker will die EU am 28. November bekannt geben, welche Pläne welcher Länder sie genehmigt. Zwar konnte Ministeriumssprecher Michael Schroeren gestern nicht bestätigen, dass Schafhausen in Berlin arbeitet. „Vielleicht ist er ja auch krank“, sagte Schroeren. Ein Telefonat reichte, um klarzustellen: Schafhausen saß gestern Nachmittag an seinem Arbeitsplatz in Berlin. Warum er nicht in Nairobi ist, wollte er nicht sagen.

Umweltminister Gabriel dürfte sich nur ungern als Klimasünder von der EU vorführen lassen. Zumal er in Nairobi immer wieder auf die „engagierte Klimapolitik“ hinweist, die im Zentrum der deutschen G-8- und EU-RatsPräsidentschaft stehen soll.

Der Vorgang hat weitreichende Bedeutungen. Werden in Deutschland weniger Zertifikate verteilt, steigt deren Preis. Dann müssten etwa RWE und Vattenfall ihre Neubaupläne von Braunkohlekraftwerken überprüfen. Auch stiege der Strompreis, weil die Stromkonzerne die Zertifikatskosten einpreisen. So würden die regenerativen Energien konkurrenzfähiger.

Und plötzlich wäre das Thema „Versteigerung von Zertifikaten“ wieder aktuell. Die Regelung lässt es den EU-Mitgliedern offen, ob sie zehn Prozent der Rechte an die Konzerne versteigern. Gabriel hatte das abgelehnt. Zwar kann die EU diese Entscheidung nicht beeinflussen. In den Bundestagsfraktionen von SPD und CDU haben sich aber zuletzt Stimmen gemehrt, die genau diese Versteigerung fordern.

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