HEIMATABEND
: Grinsen nonstop

Der Glühwein heißt heute Jägermeister

Die Mauer muss weg, denkt er sich und klettert. Fröhlich landet er dann auf der anderen Seite und rennt vor lauter Freude erstmal gegen die einzig verschlossene Tür vom Festsaal Kreuzberg. Drinnen spielen DAF gerade die dritte Zugabe. Die Dame vom Jägermeisterstand nebenan honoriert den Wagemut des Hinterhofkraxlers mit einer ordentlichen Portion Kräuterlikör.

„Keine Panik, alles gut“, raunt ein als Förster – inklusive Schrotflintenimitat – verkleideter Typ dem Neuankömmling zu. Die Jungs von der Security sind ohnehin gerade mit dem nächsten Bergsteiger beschäftigt. Dann geht’s rein zur nächsten Zugabe.

Überhaupt, wenn man sich so zwischen den Weihnachtsbäumen im Innenhof des Festsaals umschaut, sieht es gar nicht so sehr nach drittem Advent aus – eher nach Frühling. Selbst draußen wird bei den frostigen Temperaturen der Mussolini getanzt, geknutscht oder nonstop hinter den umfangreich verteilten Porno-Sonnenbrillen gegrinst.

MotorFM hat zum Heimatabend geladen, es ist brechend voll, und der Glühwein heißt heute Jägermeister. Begonnen hatte der musikalische Weihnachtsmarkt standesgemäß mit einem ausgedehnten Blaskonzert der Zentralkapelle Berlin, inklusive Udo-Jürgens-Medley. Im Kellergewölbe legen nach dem frenetisch bejubelten DAF-Gig die Mädels von Ponypop auf, während im Saal eifrig auf der Tanzfläche bei G.I. Disco gezappelt und auf der Galerie flaniert wird. Vorm Backstagebereich gibt’s auf einem als Kunstinstallation getarnten Balkon Bratwürstchen vom Elektrogrill. An der Wand flimmert eine Projektion der verschneiten Skalitzer Straße. Gerade düst ein Opel Record vorbei .

Draußen hat der Mauergegner mittlerweile eine interessierte Zuhörerin gefunden und erzählt vom Rübermachen. „Verschwende deine Jugend“, grölt ein DAF-Fan, der lächelnd danebensteht. JAN SCHEPER