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Archiv-Artikel

Waschen, schneiden, legen

PFLEGE Hundefriseure bieten längst mehr an als nur Fell schneiden, waschen und legen: Sie wagen sich in Bereiche vor, die eigentlich Tierärzte übernehmen sollten. Tierschützer sind skeptisch, ob dieser Rundum-Service wirklich noch dem Wohl des Tieres dient

VON MERET MICHEL

Timmi zittert. Er kommt schon seit drei Jahren zu Heike Hülsebusch in die „Hundeschnittstelle“ in Hamm. Er kennt die Prozedur: Rücken scheren, Bauch scheren, Bikinizone, dann mit der Schere das Fell von Beinen, Pfoten, Schwanz und Schnauze wegschneiden. Trotzdem bibbert der Terrier am ganzen Körper. „Das ist ganz normal“, sagt Hülsebusch. „Kleine Hunde sind meistens nervös.“

Im Moment herrscht Hochbetrieb im Tierfrisiergeschäft. „Sobald es heiß wird, lassen die Besitzer ihren Hunden die Haare schneiden“, sagt Hülsebusch. Unter zu viel Fell schwitzten auch Hunde mehr. Die meisten Hundesalons seien bei diesen warmen Temperaturen auf sechs bis acht Wochen ausgebucht.

Heike Hülsebusch ist seit über zehn Jahren selbstständige Hundefriseurin. Zuerst in Pinneberg, vor drei Jahren eröffnete sie dann das Studio in Hamm. Als gelernte Tierpflegerin ist sie eine Seltenheit in der Hundefriseur-Szene. „Es gibt in dem Beruf immer mehr Quereinsteiger“, sagt sie. Eine anerkannte Ausbildung zum Hundefriseur gibt es ohnehin nicht und so kann sich theoretisch jeder in seiner Wohnung einen Salon einrichten.

Je nach Größe und Rasse müsse ein Hund alle zwei bis sechs Monate zum Friseur. Natürlich könnten das die Besitzer auch zu Hause machen, sagt Hülsebusch. Allerdings fehle dazu meist die Ausrüstung, sowie die Fähigkeiten, vor allem aber die Zeit. Für Besitzer sei es oft schwer, ihren Hund selbst zu pflegen, weil sich das Tier in einer fremden Umgebung wie dem Hundesalon in der Regel ruhiger verhielte, sagt Hülsebusch. Für etwaige Zwischenfälle hängen die Maulkörbe in einem Kasten neben der Tür ihres Geschäfts. „Der hier ist zum Glück ganz brav“, sagt sie mit Blick auf den kleinen Terrier Timmi.

Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund wäre es am liebsten, wenn die Besitzer die Pflege ihrer Tiere selbst übernehmen. „Es fördert die Beziehung zwischen dem Besitzer und seinem Tier“, sagt er. Er warnt vor übermäßigem Einsatz von Pflegeprodukten. Vor allem parfümierte Shampoos könnten Hautreizungen hervorrufen. Außerdem rät er davon ab, den Hunden die Haare zu färben. Problematisch sei auch das Frisieren und Einkleiden von Hunden. „Ein Hund ist ein Lebewesen, kein Accessoir“, sagt Tünte.

In den USA sieht das ein wenig anders aus, hier sind Hunde schon mal Show-Objekt und werden entsprechend frisiert und ausgestattet. „In Deutschland ist das zum Glück nicht verbreitet“, sagt Hülsebusch. Trotzdem hat die Entwicklung in den USA auch für das deutsche Geschäft mit den Tieren Folgen. „Es werden etwa immer mehr langhaarige Hunderassen gezüchtet“, sagt Hülsebusch. Die eignen sich einfach besser zum Frisieren für den Laufsteg. Für den Hundehalter bedeute das aber vor allem einen zusätzlichen Pflegeaufwand.

Klaus Schaumberger ist Unternehmensberater und berät HundefriseurInnen, die sich selbstständig machen wollen. „Einerseits gibt es die ‚Groomer‘, die klassischen Hundefriseure“, sagt er. „Die schneiden, scheren, baden und föhnen.“ Dann gebe es aber auch die, bei denen die Gesundheit der Hunde im Fokus stehe. Zur Fellpflege kämen etwa Krallenschneiden, Zahnstein entfernen oder homöopathische Behandlungen hinzu.

Heike Hülsebusch ist das, was Schaumberger einen typischen Groomer nennt. „Als Friseurin sollte ich nicht Aufgaben übernehmen, die Sache des Tierarztes sind“, sagt sie. Auch Tierärzte sind skeptisch, was den Allround-Service vieler Hundesalons betrifft. „Zahnreinigung etwa kann man nicht einem Friseur überlassen“, sagt die Hamburger Tierärztin Tatjana Kurts. Außerdem stelle sie in der Tierarztpraxis häufig fest, dass beispielsweise die Haare über den Augen abgeschnitten werden. Die brauche das Tier aber für den Tastsinn.

Trotzdem übernehmen viele Hundesalons zunehmend Aufgaben, die üblicherweise von Tierärzten gemacht werden. „Viele erhofften sich ein zusätzliches Standbein“, sagt Hülsebusch und bringt mit der Schere Timmis Schwanz in Pinselform. Außerdem sei die Fellpflege vor allem bei großen Hunden auch körperlich sehr anstrengend. Sie zieht dem Hund die Leine wieder über den Kopf. „Fertig“, sagt sie. Timmi hat inzwischen aufgehört zu zittern.