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Archiv-Artikel

Der Exotismus

Unter Exotismus versteht man eine bestimmte Form des eurozentristischen Blicks auf die Fremde, die allein deren „exotische“ Aspekte betrachtet, beziehungsweise deren Bewohner zu „edlen Wilden“ stilisiert. Diese mit dem Kolonialismus aufgekommene Betrachtungsweise wird unter anderem als Reaktion auf die Entsagungen im Prozess der Zivilisation gedeutet. Dabei werden eigene Wunschgedanken auf die „Exoten“ in den neu erschlossenen Welten projiziert. Insbesondere Vertreter der europäischen Aufklärung, wie Jean-Jacques Rousseau oder Denis Diderot, benutzten solche Stereotypen in ihren Texten. Andere Zuschreibungen betrafen eine besondere sexuelle Potenz oder eine romantische Form der Naturverbundenheit, wie sie bei Rudyard Kipling oder Karl May beschrieben wird. Mit dem Exotismus geht eine verzerrte Wahrnehmung der Fremden einher, deren Lebensumstände und Unterdrückung als Folge des Kolonialismus kaum gesehen werden. Bei Autoren wie Rousseau sind die „Wilden“ zwar als der Natur näher stehend, dafür aber der Kultur ferner und insofern als Kinder anzusehen. Der palästinensisch-stämmige Literaturtheoretiker Edward Said hat den Orientalismus, den man als eine Spielart des Exotismus deuten kann, als „einen wesentlichen Stil der Herrschaft und des Autoritätsbesitzes über den Orient“ bezeichnet.  TAZ