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Archiv-Artikel

Unterm Pflaster liegt der Brand

Schüler gruben am Carlebach-Platz nach Überresten der alten Bornplatz-Synagoge – mit Erfolg. Mit den ersten Funden wird professionell umgegangen, unter archäologischer Betreuung

von BJÖRN BENDIG

Mit archäologischer Abenteuerlust haben Schüler der Schule Charlottenburger Straße den Grünstreifen am Carlebach-Platz untersucht. Sie haben die Erde Schicht für Schicht abgetragen und tatsächlich – wie erhofft – Steine der alten Bornplatz-Synagoge freigelegt, die in der Pogromnacht vom neunten auf den zehnten November 1938 in Brand gesetzt, schwer beschädigt und kurz darauf abgerissen wurde. Sie war, mit Platz für über 1.000 Gläubige, die größte Synagoge Norddeutschlands.

„Wir haben im Beet alte Mauerfragmente mit Rußspuren entdeckt“, erklärt Durmis Özen, der als Geschichtslehrer das Projekt mit auf den Weg gebracht hat. Fünf Tage lang schürfte er mit seiner achten Klasse im rund zehn Quadratmeter großen, abgesteckten Grünstreifen, früher ein Grenzgraben, in dem Özen Teile der 1939 eingeebneten Synagogen-Trümmer vermutete.

Mit den Entdeckungen gehen die Hobby-Archäologen sorgsam um, verzeichnen sie in Grabungskarten. „Wir haben die Fundstücke von der Lage her nicht bewegt“, betont Özen, denn das hätte die Funde aus ihrem historischen Zusammenhang gerissen – und der soll erhalten bleiben. Unterstützung erhielten er und seine 20 Schüler vom Museumspädagogen Thorsten Helmerking, der ihnen erklärte, welche Techniken sie anwenden müssen.

Elke Först, Wissenschaftliche Leiterin für Boden- und Denkmalpflege am Helms Museum, begrüßt das umsichtige Vorgehen. Sie sagt: „Auch eine Ausgrabung ist eine Zerstörung.“ Wenn es keine Gefährdung von Bodendenkmälern gebe, blieben diese normalerweise verschlossen, so Först. „Denn nirgendwo ist etwas besser geschützt.“ Deshalb, so Helmerking, wurde die „Fundstelle mit Boden wieder aufgefüllt“. Erst, „wenn ein Bodendenkmal nicht mehr an Ort und Stelle erhalten werden“ kann, so Först, „stellt die wissenschaftliche Ausgrabung die einzige Möglichkeit dar“, Quellenmaterial und seine historischen Aussagen „zu retten“.

Die Entdeckungen der Realschüler sind aber nicht als Beschädigung zu werten. Im Gegenteil, sie sind sogar von Bedeutung für die Archäologen: „Die Erkenntnisse tragen dazu bei, den Carlebach-Platz in die Liste der Bodendenkmäler eintragen zu können“, ist Försts Befund. Damit genösse der Platz den Schutz der Denkmalpflege. Jeder bauliche Eingriff wäre dann mit ihr abzustimmen.

Darüber hinaus dient das Projekt Özen für einen plastischen Geschichtsunterricht. Aus den Rußspuren der Fundstücke gehe hervor: „Das Gebäude, das da gestanden hat, hat gebrannt“, sagt der Lehrer. Und so werden Folgen der Pogromnacht, auch nach fast 70 Jahren, für die Schüler erlebbar.

Die waren von der archäologischen Arbeit begeistert, weniger aber von den Gartenpflegearbeiten zur Verschönerung des Carlebach-Platzes, die schon seit 2003 zum Aufgabenbereich der Realschüler von der Charlottenburger Straße gehören: Ab acht Uhr ging es los, insgesamt „eine Schweinearbeit“, sagt Özen anerkennend.

„Wir haben mehr erreicht, als ich zu hoffen gewagt habe“, fasst der Geschichtslehrer das Projekt zusammen, die Resonanz sei durchweg positiv. Auch wenn jetzt nicht mehr gegraben wird, die Pflege des zukünftigen Bodendenkmals geht weiter: „Der Carlebach-Platz bleibt weiterhin unser Aufgabengebiet“, ist für Özen klar.