: Keine neue Bürgerlichkeit
Mit einem Ball feierte die Bremer Uni ihren 35. Geburtstag. Der Belegschaft war das zu teuer, die Zeche zahlen Spender
Erwachsen werden kann ganz schön schwierig sein. Das „größte kulturelle Wagnis in der Unigeschichte“ nannte Radio Bremen den Bremer „Uni-Ball“. „Erwachsen geworden“, befand ein Reporter, sei die einst so kritische Hochschule mit der bürgerlichen Tanznacht. Erstmals seit der Unigründung war am 11. November ein Jahrestag mit einem „Uni-Ball“ im Atlantic-Hotel begangen worden. Für Kritik von AStA und Personalrat hatte vor allem der Eintrittspreis von 70 Euro gesorgt. Trotz teurer Tickets verursachte der Ball einen Verlust von rund 10.000 Euro, wie Uni-Rektor Wilfried Müller jetzt im Akademischen Senat, dem höchsten gewählte Uni-Gremium, zugeben musste.
Der Verlust sei durch Ausgaben von 23.000 Euro entstanden, denen 7.000 Euro Einnahmen aus dem Ticketverkauf und 6.000 Euro Spenden gegenüber stünden. Müller sagte, der Verlust werde aus freien Mitteln der „Unifreunde“ und anderer Initiativen beglichen. Statt der erwarteten über 300 BesucherInnen seien lediglich 180 Ballgäste ins Atlantic-Hotel gekommen.
Mitglieder des Akademischen Senats kritisierten, Müller habe Teile der Uni-Beschäftigten für das Scheitern verantwortlich gemacht. „Die Spät-68er, die noch in der Belegschaft sind, wollten den Ball nicht. Man muss aber der nächsten Generation gerecht werden“, so Müller. Ein „polemischer Ausfall“ sei dies, findet Manfred Schürz vom Personalrat der Universität. „Der Rektor, selbst ein 68er, glaubt offenbar als einziger, eine „Neue Bürgerlichkeit“ erkannt zu haben.“ Dabei sei der Eintrittspreis für die Geringverdiener einfach viel zu hoch gewesen. Zuvor hatte Müller angeregt, ProfessorInnen könnten ihren schlechter bezahlten Mitarbeitern die Eintrittskarten finanzieren.
Müllers These von der Ballbegeisterung der „nächsten Generation“ wird in Fachkreisen skeptisch gesehen. „Es gibt eine Ballmüdigkeit“, konstatierte Wilhelm Wehrmann, Direktor des Bremer Park-Hotels, einst das Zentrum des Bremer Ball-Wesens. „Früher hatten wir fast 60 Bälle im Jahr. So etwas gibt es nicht mehr. Heute sind es vielleicht noch 14.“ Christian Jakob