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Archiv-Artikel

Der rechte Kauz von Köpenick

Fritz Liebenow verehrt die Monarchie und das preußische Militär. In historischer Gardistenuniform führt der Mann mit Berliner Schnauze durch die Köpenicker Altstadt – zur Freude der Touristen. In der Bezirksverordnetenversammlung sitzt er in der NPD-Fraktion. Er ist ein Mann der einfachen Töne

Für seine Monarchie hat Liebenow die „Neue Reformpartei“ mitgegründet

von MARINA MAI

Samstag elf Uhr. Fünf Laienschauspieler spielen vor dem Köpenicker Rathaus das historische Schauspiel vom Hauptmann von Köpenick nach. „Melde gehorsamst: Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit“, ruft abschließend ein Mittfünfziger in alterpreußischer Gardistenuniform in sein Mikrofon. Er schiebt einen kleinen Wagen mit einem Plakat vor sich her. Darauf wirbt der Mann, Fritz Liebenow, für Führungen durch die Altstadt zum Preis von 3 Euro. „Wer die wahre Geschichte des Hauptmanns von Köpenick erfahren möchte, kommt mit mir.“

15 Touristen, die meisten von ihnen im Rentneralter, nehmen das Angebot an. Des Hauptmanns Geschichte, Spreeufer, Schloss, Fischerdorf und das historische Rathause stehen auf dem Programm.

Mit Rathäusern kennt sich der 57-Jährige aus. Am 18. September wurde Liebenow auf der Liste der NPD in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Treptow-Köpenick gewählt. 5,3 Prozent der Wählerstimmen holten die Rechten in dem Bezirk. Liebenow sitzt nun als Abgeordneter neben dem Führungspersonal der NPD, Parteichef Udo Voigt und Landesvorsitzenden Eckart Bräuniger, ganz rechts in der letzten Reihe.

„Is det nich herrlich?“, fragt Liebenow rhetorisch im historischen Rathaussaal. Er meint den Blick vom Erker und lädt die Touristen ein, von dort aus den Passanten zu winken. Sie haben freie Sicht auf die Spree – auf den Fluss, der Köpenick und damit auch Berlin über Jahrhunderte mit Lebensmitteln, Baustoffen und Kohlen versorgt hätte, wie Liebenow erläutert. Und auf dem man heute so schöne Touren machen könne. „Bis nach Ostpreußen. Könichsberg und so. Det kostet natürlich ’ne Stange Jeld.“

Während er die historische Entwicklung der Einwohnerzahlen von Köpenick streift, erwähnt Liebenow, dass er selbst fünf Kinder hat. „Wir Köpenicker sin eben en fruchtbares Völkchen. Wer hier nich fruchtbar is, is selber schuld.“ Solche Stammtischsprüche einer Berliner Schnauze kommen gut an. Und Liebenow freut sich sichtlich, wenn die Touristen über seine Witze lachen.

Wenn er in der Bezirksverordnetenversammlung zu Wort kommt, gibt es auch Gelächter – allerdings eher über ihn. Als die demokratischen Parteien einen Aufruf zu einer Demo gegen den Aufmarsch rechter Kameradschaften als dringlich auf die Tagesordnung setzen wollten, sprach Fritz Liebenow in seinem bisher einzigen Diskussionsbeitrag im Treptower Rathaus dagegen. Am Ende seiner inhaltsleeren Begründung rief er: „Gott segne und schütze unser deutsches Vaterland.“ Die anderen Abgeordneten lachten nur.

Bei seiner Führung durch Köpenick teilt „der berühmte Gardist“, wie es auf seiner Visitenkarte steht, kräftig aus in Richtung Politik und Wirtschaft. Die traditionelle Textilreinigungsfirma Rewatex aus Köpenick sei pleite gegangen, „weil die Hotels heute alle in Polen waschen lassen“. Ein Multifunktionsgebäude, das gerade in der Dahmebucht entsteht, sei „völlich unnütz, weil noch nich ma feststeht, ob hier überhaupt mal een Schiff ankommt. Aba Berlin hat ja det Jeld.“ Und wer in Zeiten leerer Stadtkassen wie Wilhelm Voigt mit einem Coup reich werden wolle, der „muss Politiker werden“, gibt sich Liebenow überzeugt.

Als Altstadtführer ist der gelernte Fleischermeister, der die Erfahrung Langzeitarbeitslosigkeit aus eigener Erfahrung kennt, noch nicht lange unterwegs. Einst gehörte er der Hauptmannsgarde, einem aus öffentlichen Mitteln geförderten Projekt, an. 2004 wurde ihm dort gekündigt: Liebenow hatte vor Touristen das „Deutschlandlied“ abgespielt – einschließlich der ersten Strophe „Von der Maas bis an die Memel“. „Da haben sich Gäste und Bürger bei uns beschwert“, erinnert sich Michael Diehl vom Tourismusverein Köpenick-Treptow e. V., seinem früheren Arbeitgeber. „Der Mann hatte gelegentlich eine sehr einfache Weltsicht mit teilweise nationalen Tönen zum Ausdruck gebracht. Darüber ist mit ihm auch kritisch diskutiert worden“, sagt Diehl. „Aber dass er dann für die NPD kandidierte und auch noch gewählt wurde, hat mich schon sehr überrascht.“

Wird Liebenow vor Touristen auf seine NPD-Aktivitäten angesprochen, ist ihm das ausgesprochen peinlich. Die Fassade des fröhlichen Kauzes, der Touristen seine Liebe zur Heimat nahe bringen will und freundlich zeigt, wo man in Köpenick gut essen kann, zerfällt. „Ich bin nicht in der NPD. In ganz Köpenick hat kein einziges Wahlplakat von mir gehangen“, ruft er laut im besten Hochdeutsch. Auf Nachfrage bestätigt er, „auf deren Liste kandidiert“ zu haben. Er sei Anhänger der Monarchie – „eine Staatsform, die den Deutschen Hoffnung gibt und den Bundespräsidenten überflüssig macht“.

Um die Monarchie zu errichten, hat Liebenow die „Neue Reformpartei“ mitgegründet. Weil die Splitterpartei chancenlos war – von einem „Scheitern“ will er jedoch nichts wissen –, hat er mit seinen Monarchieträumen bei der NPD Unterschlupf gefunden. Und ganz falsch fühlt er sich dort nicht. „Mein Neffe wurde von Russen niedergeschlagen. Darüber hat keine deutsche Zeitung berichtet“, erzählt er. Dem Sohn seines Vermieters sei Ähnliches von Türken widerfahren. Liebenow: „Ich weiß nicht, was das ganze Gerede über angebliche Fremdenfeindlichkeit soll. Ich kenne keine Fremdenfeindlichkeit. Oder wollen die die Hütchenspieler agieren lassen?“

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hatte ein Hausverbot gegen Liebenow für seine touristischen Programme erwogen. Begründung: „Weil er immer so viel Unsinn redet. Das dient nicht der seriösen Tourismuswerbung“, erläutert der stellvertretende Bürgermeister Michael Schneider von der Linkspartei. Doch so ein Verbot wäre rechtlich nicht durchsetzbar gewesen.

Kurz vor dem Ende seiner Tour erzählt Liebenow noch eine Geschichte aus der DDR: Am Dahmeufer hätte es „zu Ostzeiten“ eine nicht einsehbare Dornenhecke gegeben. „Sie hätten ma erleben solln, wie viele Leute da reinjegangen sin un ihre Freude hatten. Die konnte ja keener sejen.“ Die Mischung aus historischem Halbwissen, Lokalpatriotismus und frivolen Bemerkungen kommt an bei den Touristen. Und viele geben dem Altstadtführer gern etwas Trinkgeld.