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Archiv-Artikel

Höhere Ernteerträge lassen Wildvögel verschwinden

In den neuen EU-Staaten sind viele Vogelarten durch die Landwirtschaft bedroht. Vogelschützer fordern Hilfen für traditionell wirtschaftende Bauern

Die intensive Landwirtschaft bedroht wild lebende Tierarten. Ein kürzlich erstellter Report der weltweit aktiven Organisation BirdLife International zeigt jetzt, wie sich unterschiedliche landwirtschaftliche Methoden auf die Vogelwelt auswirken: In den neun Ländern, die der Europäischen Union (EU) im Jahre 2004 beigetreten sind, lebt immer noch eine große Anzahl verschiedener Feldvogelarten, die anderswo in Europa mit ihrer intensiven Landwirtschaft kurz vor dem Aussterben stehen. Sollte die EU-Agrarpolitik in den neuen Ländern unverändert übernommen werden, ist dort mit einem erheblichen Rückgang der Vogelbestände zu rechnen.

„Der Report zeigt, dass die neuen EU-Länder von den alten lernen müssen“, erklärte Mark Avery, Direktor bei The Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), die in Großbritannien BirdLife International repräsentiert. „Die Regierungen der neuen EU-Länder haben noch immer die Wahl. Sie sollten unsere Fehler beachten, um die Reichtümer ihrer Natur zu bewahren.“

Feldvögel nutzen Äcker und Wiesen; einige von ihnen sind zur Anlage ihres Nests, zur Nahrungssuche oder für beides auf landwirtschaftliche Flächen angewiesen. In vielen Fällen bilden Äcker Ersatzlebensräume für verloren gegangene natürliche Lebensräume. In den neuen EU-Staaten leben seltenste Vogelarten wie beispielsweise Wachtelkönig, Seggenrohrsänger, Weißstorch oder Blauracke. Insbesondere Polen – der hinsichtlich Fläche größte neue EU-Staat – ist von Bedeutung: In Polen lebt immerhin über ein Viertel aller Wachtelkönige.

Vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft gefährdet die Feldvögel. So machten lange und zuverlässige Datenreihen über Vogelbestände in Großbritannien eine gründliche Analyse der Rückgangsursachen für britische Singvögel möglich. Von der Mitte der 1970er- bis zum Ende der 1980er-Jahre wurde die britische Landwirtschaft besonders rasch intensiviert. Typisch waren eine Ausweitung des Anbaus von Raps und Wintergetreide sowie eine Zunahme des Pestizid- und Mineraldüngereinsatzes. Die Flächenanteile von Sommergetreide, Hackfrüchten und Stoppelbrachen gingen zurück. Dadurch verringerten sich die Brut- und Ernährungsmöglichkeiten für die Vögel und ihr Bestand nahm drastisch ab.

Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen der deutlich besseren Bestandsentwicklung der Feldvögel in den ehemals kommunistischen Ländern Osteuropas mit einer im Vergleich zum Westen weniger intensiven Bewirtschaftung. Am aussagekräftigsten ist der Getreideertrag pro Flächeneinheit. In den alten EU-Ländern lag dieser Wert fast immer deutlich höher als in Osteuropa und stieg von 1961 bis 1998 gleichmäßig an, während es in Osteuropa seit Ende der 1980er-Jahre zu einem Stillstand auf deutlich niedrigerem Niveau kam. Dieser Vergleich von unterschiedlich intensiven landwirtschaftlichen Systemen sowie der in Großbritannien gefundene zeitliche Zusammenhang von Intensivierung und Bestandsrückgängen lassen deutlich erkennen, dass die Landwirtschaft für die Entwicklung der Vogelbestände in Mitteleuropa eine hohe Verantwortung trägt.

RSPB und BirdLife International fordern daher die neuen EU-Staaten auf, ihre Bauern finanziell zu unterstützen, sodass traditionelle landwirtschaftliche Methoden beibehalten werden können. Auch die Bauern der alten EU-Staaten erhielten finanzielle Hilfe. Zwar gelang es hier, 9 von 26 bedrohten Vogelarten zu retten – zu ihnen gehören jedoch nicht die Feldvögel.

CLAUDIA BORCHARD-TUCH