Geheimdienst dupliziert die Datenströme

TECHNIK Der BND musste in Leipzig erklären, wie die strategische Fernmeldekontrolle in der Praxis funktioniert

Im Jahr 2010 filterte der BND mit rund 30.000 Suchbegriffe, die meisten aus dem Bereich Waffenhandel. Die Worte „Atom“ und „Bombe“ stehen nicht auf der Liste

LEIPZIG taz | Vielleicht war es das schlechte Gewissen. Obwohl die Richter am Bundesverwaltungsgericht schon früh signalisierten, dass sie die Klage gegen die anlasslose BND-Fernmeldeüberwachung für unzulässig halten, nahmen sie sich Zeit und versuchten zu verstehen, was der BND genau macht. So schufen sie zumindest etwas Transparenz.

Deutlich wurde, dass der BND die internationalen E-Mails und Telefonate nicht kopiert und speichert, sondern den gesamten Datenfluss internationaler Datenkabel dupliziert und an den deutschen Auslandsgeheimdienst weiterleitet. In Frage kämen dabei nur Kabel, die grundsätzlich der Auslandskommunikation dienen, erklärte ein BND-Vertreter.

Laut Gesetz darf der BND höchstens jede fünfte internationale Kabelverbindung kontrollieren. Tatsächlich greift der BND wohl sogar nur auf 3 bis 4 Prozent aller Kabel zu. Wie er die Kabel auswählt, blieb ebenso unklar wie die Höhe des vom BND überwachten Anteils des grenzüberschreitenden Datenverkehrs.

Der zum Bundesnachrichtendienst geleitete Datenfluss wird nun in mehreren Stufen reduziert. Zunächst soll alles ausgesondert werden, was nicht Kommunikation ist, etwa Downloads von Musik und Filmen. Tabu sei für den BND auch der Datenverkehr, der beim Aufrufen von Webseiten entsteht. Dabei soll es nur Ausnahmen für bestimmte „Terror-Foren“ geben, so der BND-Mann. Gemeint sind damit wohl dschihadistische Webseiten, auf denen die Teilnehmer miteinander kommunizieren.

Auch innerdeutsche Kommunikation soll aus dem Datenstrom ausgesondert werden. Wenn ein Deutscher aus Köln eine Mail an einen Deutschen in Hamburg schreibt, könne es zwar sein, dass die Mail ihren Weg über ausländische Router nimmt. Solche deutsch-deutschen Mails würden aber erkannt, etwa am „.de“ der Mail-Adresse oder weil der Provider bei der deutschen Bundesnetzagentur registriert ist. Auch wenn in den Metadaten der Mail eine „deutsche Spracheinstellung“ erkennbar ist, werde die Mail ausgesondert. „Diese Vorgehensweise funktioniert sehr gut“, betonte Heinrich Amadeus Wolff, der Anwalt des BND.

Laut Gesetz soll auch die Begrenzung der Maßnahme auf den Verkehr mit bestimmten Gebieten eine minimierende Wirkung haben. Davon kann in der Praxis aber nicht die Rede sein. Immerhin erfasst die BND-Überwachung den Telefon- und E-Mail-Verkehr mit 196 Gebieten, davon rund 130 Staaten plus zugehörige extraterritoriale Gebiete wie Übersee-Inseln. Neben klassischen Schurkenstaaten stehen auch die USA, Frankreich und England auf der Liste.

Den nun noch verbleibenden Datenstrom filtert der BND dann mit Suchbegriffen. Im Jahr 2010 waren es rund 30.000 Suchbegriffe, die meisten aus dem Bereich Waffenhandel. Es gibt inhaltliche Suchbegriffe, wie zum Beispiel chemische Formeln. Die häufig zitierten Worte „Atom“ und „Bombe“ stehen laut Wolff aber nicht mehr auf der Liste. Bei gebräuchlichen Worten wie „Strahlung“ werde nur in Verbindung mit anderen Begriffen ein Treffer angezeigt. Am häufigsten sind aber wohl formale Suchbegriffe wie (ausländische) E-Mail-Adressen oder Faxnummern.

Auf diesem Wege wurden 2010 aus dem grenzüberschreitenden Datenstrom 37 Millionen Treffer identifiziert. Mehr als 95 Prozent davon seien jedoch Spam-Mails gewesen, erklärte Wolff. Wie der BND unter den Millionen Treffern dann die 200 „nachrichtendienstlich relevanten“ Kommunikationen herausfand, wollten die Leipziger Richter dann leider nicht mehr wissen. CHRISTIAN RATH