: Gesundheit aus dem Drucker
DREI-D-DRUCKER Forschungszentren im Norden bringen revolutionäre Projekte auf den Weg: künstlich hergestellte Haut, Implantate und Formgeber für Nahrungsmittel
VON SEBASTIAN BRONST
Nieren, Nudeln oder Ersatzteile: Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Potenziale und die Weiterentwicklung von Drei-D-Druckern berichtet wird. Während sich die Öffentlichkeit aber meist mit Randphänomenen wie der Idee des heimischen Nudel-Druckens abgibt, sind Forscher und Firmen aus Norddeutschland dabei, im Gesundheits- und Medizinsektor revolutionäre Projekte voranzubringen.
Im Laserzentrum Hannover (LZH) etwa arbeiten Experten an Haut aus dem Drei-D-Drucker. Bis zu einem voll funktionsfähigen Stück Gewebe ist es noch ein weiter Weg, aber die dreidimensionale Anordnung von Zellen beherrschen die in der Arbeitsgruppe Biofabrikation vereinten Fachleute des Forschungsinstituts bereits. Ein Stück Mäusehaut haben sie schon hergestellt und erfolgreich transplantiert.
„Natürlich handelt es sich dabei noch um Grundlagenforschung“, sagt die Biologin Lena Bennefeld, Sprecherin des Laserzentrums. „Das ist sicher nichts, was in den nächsten zwei bis drei Jahren in der Anwendung ist. Aber der Ansatz ist vielversprechend.“ Tissue Engineering nennt sich dieser Zweig der medizinisch-technischen Forschung, zu Deutsch etwa so viel wie Gewebe-Herstellung.
Mäusehaut verpflanzt
Am Ende der Entwicklung könnte die Herstellung kompletter menschlicher Organe stehen – ein reizvoller Gedanke angesichts des chronischen Spendermangels. Zunächst aber geht es um Zwischenschritte. Die Kosmetikindustrie sei an der gedruckten Haut interessiert, sagt Bennefeld. „Man will Tierversuche vermeiden.“
Die Hannoveraner Forscher um Gruppenleiter Lothar Koch züchten zunächst die benötigten Hautzellen. Sie sind in ein Hydrogel eingebettet, das zugleich als Medium für den Druckprozess – quasi als Tinte – und als äußere Stützmatrix dient. Das Zell-Gel-Gemisch wird dann auf einen beschichteten Glasträger aufgebracht und mit einem Laser beschossen. Dadurch verdampft die Beschichtung und setzt die Zell-Gel-Schicht in Bewegung. Diese kann so präzise auf einen anderen Träger oder ein Proteingerüst aufgebracht werden, wodurch zweidimensionale Muster oder – in einem Schicht-für-Schicht-Verfahren – dreidimensionale Strukturen entstehen.
Darüber hinaus nutzen die Spezialisten aus Hannover auch die herkömmliche Variante des Drei-D-Druckverfahrens, bei dem Laser Metallpulver verschmelzen und daraus hochkomplexe Werkstücke aufbauen. Laser-Additive Manufacturing (LAM) heißt das. Am Laserzentrum entstehen so Implantate mit Formgedächtnis. Sie lassen sich beliebig verbiegen und nehmen bei bestimmten Temperaturen aber wieder ihre alte Gestalt an. Auf diese Weise ist ein Hörschnecken-Implantat entstanden, das sich leicht in den verwinkelten Hörgang einpassen lässt und so das Risiko von Nervenschäden bei Operationen vermeidet. Auf herkömmlichem Wege ließe sich so ein Werkstück nicht herstellen.
Bereits voll im Geschäft ist die Lübecker Firma SLM Solutions. Sie stellt jene Drei-D-Drucker für die metallbasierte additive LAM-Fertigung her, die das LHZ und Unternehmen aus dem Medizinsektor in zunehmender Zahl einsetzen und nachfragen. Die Branche vollziehe gerade den Schritt von der Verwendung einzelner Maschinen hin zum Aufbau ganzer Drei-D-Fertigungsstraßen, sagt Vorstandschef Markus Rechlin. „Wir sind an einem Wendepunkt. Die Unternehmen haben die Technik ausprobiert und kommen nun an den Punkt, wo sie das nötige Vertrauen aufgebaut haben.“ Zu den Kunden der SLM, die gerade an die Börse gegangen ist, gehören Firmen, die sich auf die Fertigung von medizinischen Implantaten spezialisiert haben – etwa für den Zahnersatz oder zur Stabilisierung der Wirbelsäule. Der große Vorteil des Drei-D-Drucks liege für sie in den wesentlich niedrigeren Produktionskosten, sagt Rechlin.
Wiederum ganz andere Wege geht die kleine Firma Biozoon aus Bremerhaven, die an Essen aus dem Drucker arbeitet. Sie stellt sogenannte Texturgeber her, mit denen fein pürierte Nahrungsmittel für Menschen mit Schluck- und Kaubeschwerden in Form gebracht werden. Die einzelnen Zutaten können nach dem Zubereiten zerkleinert, mit diesen Spezialpulvern versetzt und dann so moduliert werden, dass sie wieder ein natürliches Aussehen haben. Statt eines undefinierbaren Breis erhalten etwa Bewohner von Pflegeheimen so wieder ein Gericht, das wie eines aussieht und schmeckt.
Püree statt Tinte
Bislang aber dauert die Zubereitung derartiger Mahlzeiten recht lange, weshalb das Prinzip in den Küchen großer Einrichtungen an seine Grenzen stößt. Die Lösung sieht Biozoon in der Produktion an einem zentralen Standort. Das Unternehmen arbeitet deshalb an Drei-D-Druckern, die diese Aufgabe fließbandartig übernehmen könnten.
„Der Druckkopf funktioniert dabei wie ein Tintenstrahldrucker, wobei statt Tinte Lebensmittelpüree verwendet wird“, erklärt Projektmanagerin Sandra Forstner das Entwicklungsvorhaben, das 2015 abgeschlossen sein wird. Der mit Geliermittel versetzte Brei werde von den Maschinen Schicht für Schicht aufgetragen. Noch seien auf dem Weg zu einem funktionierenden Gesamtkonzept viele Tests nötig, sagt Forstner. „Aber die einzelnen Entwicklungen sehen schon sehr vielversprechend aus.“