Freie gegen die Funkstille

Protest beim Norddeutschen Rundfunk: Freie MitarbeiterInnen des NDR machen in ganz Norddeutschland mobil gegen willkürliche Beschäftigungssperre. Der öffentlich-rechtliche Sender bietet Verhandlungen über neue Modelle an

VON KAI VON APPEN

An den Pforten der Funkhäuser und Landesstudios des Norddeutschen Rundfunks (NDR) dominierte gestern morgen das Orange – Orange als Farbe der Hoffnung. Freie MitarbeiterInnen protestierten gegen die Begrenzung ihrer Tätigkeit auf maximal 15 Jahre. Dazu hatten sie sich in orangefarbenen T-Shirts mit der Aufschrift „Ohne Freie – Funkstille“ postiert, verteilten orangefarbene Flugblätter und saftige Orangen an die Festangestellten, um zu dokumentieren, „dass in ihnen noch viel Saft steckt“. Allein vor dem Hamburger Funkhaus im Stadtteil Rotherbaum, wo die Reaktionen von NDR2, NDR Hamburg-Welle, N-Joy-Radio und NDR-Info residieren, skandierten 40 Freie: „Wir sind das Programm.“

Laut der Initiative „Freie im Norden“ trugen überdies in mehreren Sendestationen freie Mitarbeiter das Protest-Shirt bei der Arbeit. „Nach Hamburg, Hannover, Oldenburg Schwerin, Lüneburg und Osnabrück bekennen sich jetzt auch Freie in Kiel, Lübeck, Norderstedt und Braunschweig zur Farbe“, so das Flugblatt der Initiative.

In dem Konflikt um die so genannten Rahmenverträge für Freie Mitarbeiter beim NDR geht es nicht um klassische materielle Forderungen, sondern um berufliche Lebensperspektiven: Beim NDR gibt es zurzeit rund 880 Freie, die auf der Basis solcher Verträge arbeiten. Während die 740 festangestellten JournalistInnen meist in den Redaktionen als RedakteurInnen und Planer eingesetzt werden, produzieren die Freien das Gros der Beiträge.

Ein Rahmenvertrag beinhaltet, dass ein Freier und der NDR wechselseitig erklären, dass sie für ein Jahr zusammenarbeiten wollen. Diese Verträge können dann laut Tarifvertrag Jahr für Jahr fortgeschrieben werden, werden beim NDR in der Regel aber nach sechs bis acht Jahren nicht mehr verlängert, da der NDR arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchtet, nachdem der Sender in den achtziger Jahren einen Rechtsstreit wegen Kettenarbeitsverträgen verloren hat. Der NDR müsse sich als Medienunternehmen „vor möglichen Festeinstellungsklagen und den damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken schützen“, heißt es offiziell. Nach der aktuellen NDR-Praxis ist aufgrund einer Richtlinie spätestens nach 15 Jahren Schluss. Danach konnten freie Mitarbeiter in der Vergangenheit auf eine Festanstellung spekulieren, aber dieser „Automatismus“ ist wegen der Sparvorgaben bei öffentlich-rechtlichen Sendern in Zeiten der Gebührendebatte vom Tisch. Nur eine Handvoll schafft den Sprung in eine Festeinstellung.

Im Jahr 2006 werden 54 Freie den Sender aufgrund dieser NDR-Richtlinie verlassen müssen. „Sogar preisgekrönte Fernsehautoren und hochqualifizierte Fachjournalisten, die von ihren Redaktionen über Jahre aufgebaut wurden“, so ein Sprecher der Initiative.

Mit ihrer Aktion wollen die Freien erreichen, dass NDR-Intendant Jobst Plog sich auf Verhandlungen über ein neues Modell einlässt. „Wir wollen keine Beschäftigungsgarantie bis zur Rente“, betonten die Freien. Man wolle nur nicht wegen einer „willkürlichen Beschäftigungssperre pauschal nach sechs oder acht Jahren grundlos vor die Tür gesetzt werden“, zumal dies „der Programmqualität schadet“.

NDR-Sprecher Martin Gartzke zeigt sich über den Protest „erstaunt“. Der NDR habe die Freien in einem Gespräch um Vorschläge für veränderte Beschäftigungsregeln gebeten. „Diese Zusage wurde bislang nicht eingelöst“, moniert Gartzke. „Weitere Gespräche machen aber erst dann Sinn, wenn die angekündigten Vorschläge auf dem Tisch liegen und vom NDR geprüft werden können.“