„Stolberg war Sonnenkönig“

HÖRKINO Der Journalist Rainer Kahrs präsentiert sein Radiofeature über den ehemaligen Beluga-Chef

■ ist freier Fernseh- und Hörfunkjournalist in Bremen.

taz: Herr Kahrs, was ist übrig von Stolberg in Bremen?

Rainer Kahrs: Jede Menge Akten beim Gericht und beim Insolvenzverwalter. Und das Gebäude auf dem Teerhof. Aber sonst eigentlich nichts. Es will sich ja auch niemand an ihn erinnern. Dabei haben sich so viele mit ihm gezeigt und mit ihm geworben.

Wer zum Beispiel?

Banken, Unternehmen, Politiker. Im Radiofeature spielen wir ein Geburtstagsständchen ab. Henning Scherf singt darin ein großes Loblied auf Stolberg.

Erschüttert Sie, wie Stolberg fallengelassen wurde?

Mich hat der Hype um ihn erschüttert, den er selbst mit inszeniert hat. Aber sie waren hier alle so froh, so jemanden zu haben, einen jungen, modernen, erfolgreichen Unternehmer. Bremen war und ist so hungrig nach Erfolgen, dass es ganz unreflektiert Stolberg als Sonnenkönigfigur angenommen hat.

Zu unrecht?

Stolberg hat Seiten eines guten Unternehmers. Er hat früh neue Marktsegmente erkannt und sie erschlossen. Das Problem war, dass das Unternehmen zu schnell gewachsen ist. Er hat es nur in die Höhe ausgebaut, nicht in die Breite. Darin ist er zugrunde gegangen. Und die Bremer Staatsanwaltschaft sagt, dass er absolut unsauber bilanziert hat.

Wissen Sie, wie er so schnell zu den großen Geldmengen kommen konnte, um das Unternehmen aufzubauen?

Nein, nicht im Detail. Es gibt Gerüchte, aber als Journalist verbreite ich diese nicht, wenn ich sie nicht beweisen kann.

Es heißt, er habe an illegalen Waffengeschäften verdient. Nun konnten Sie nachweisen, dass er bei diesen Transporten mit Geheimdiensten zusammengearbeitet hat. Also doch eine saubere Sache?

Daran ist nichts sauber. Wenn er illegal mit oder ohne den BND Waffen in den Südsudan oder andere Krisenländer bringt, dann ist daran nichts Ehrenwertes, das darf man einfach nicht machen.

Eine entscheidende Rolle in Stolbergs Geschichte spielt der US-amerikanische Investor Oaktree, der Stolberg erst Geld gab, ihn dann aus dem Unternehmen drängte und wegen Bilanzfälschung anzeigte. Seitdem ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft.

Bei meinen Recherchen hat mich sehr irritiert, wie verschlossen Oaktree ist. Auch zu der neuen Reederei in Hamburg lässt sich das Unternehmen nichts fragen. Und ich verstehe nicht, warum in Bremen, gerade auch bei den Banken, nicht alle Alarmglocken geklingelt haben, als die Kontakte zwischen Beluga und Oaktree angebahnt wurden. Spätestens zu dem Zeitpunkt hätte doch klar sein müssen, dass Beluga angeschlagen ist. Man hätte die Insolvenz ein oder sogar anderthalb Jahre früher erahnen können.

Was hätte das gebracht?

Der Schaden für Bremen wäre nicht so groß gewesen. Das Land könnte jetzt noch eine Schwergutreederei haben, vielleicht eine kleinere und unter Insolvenzverwaltung, aber sie wäre noch da.  INTERVIEW: EIB

Hörkino: 20 Uhr, SWB Kundencenter, Sögestraße/Am Wall