: Die großen Geschäfte einer kleinen Bank
Die Volksbank Lauenburg muss mit 58 Millionen Euro gerettet werden. Sie hatte dubiose Kredite an eine Hamburger Familie vergeben, die im Verdacht der Organisierten Kriminalität steht. Ein Ex-Aufsichtsrat wegen Steuerhinterziehung verurteilt
VON KAI VON APPENUND GERNOT KNÖDLER
Die Volksbank Lauenburg hat mehr faule Kredite vergeben, als bisher bekannt war. Wie der neue Vorstand gestern mitteilte, ist bei rund 70 Millionen Euro, die die Bank verteilt hat, höchst ungewiss, ob sie jemals zurückfließen werden. Vorstand und Aufsichtsrat sind bereits im Frühjahr zurückgetreten. Sie sollen für den Schaden in Regress genommen werden.
Zu den dubiosen Geschäftspartnern der Kleinbank im Südosten Schleswig-Holsteins gehört der Kaufmann Burim Osmani, dessen Familie zu den größten Immobilienbesitzern auf dem Hamburger Kiez gehört. Der Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland, Horst Mathes, wies auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung hin: „Da bleibt Ihrer Fantasie alles offen.“
„Wir haben desolate Zustände vorgefunden“, sagt der heutige Vorsitzende der Volksbank, Jens Pape. Der Jahresabschluss für 2004 sei im Frühjahr 2006 noch nicht festgestellt gewesen. Weil die Bank alleine nicht mehr überleben könne, sollte ihren Genossenschaftsmitgliedern gestern Abend eine Fusion mit der örtlichen Raiffeisenbank vorgeschlagen werden.
Dass die Kleinstadtbank eine eigenwillige Geschäftspolitik verfolgte, war schon länger klar. „Seit 1995 kann man das Stichwort ‚Uneinsichtigkeit‘ über die Geschäftspolitik schreiben“, sagte Mathes. Das Geschäftsgebaren des Vorstandes führte zu drei Sonderprüfungen der Bundesanstalt für Finanzaufsicht. Bei der dritten im Jahr 2005 stellte diese ein Millionenloch in der Bilanz fest. Die Bank konnte nur durch eine sofortige Bürgschaft der Sicherungseinrichtung in Höhe von 23 Millionen Euro gerettet werden, der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) tauschte den Vorstand aus.
Beim Durchforsten der Unterlagen stellte sich heraus, dass Kredite im Umfang von insgesamt 100 Millionen Euro stark risikobehaftet waren. Mit insgesamt 58 Millionen Euro musste schließlich die Sicherungseinrichtung einspringen. Nach Meinung von BVR-Vorstandsmitglied Jochen Lehnhoff haben die Volksbank vor allem zwei Dinge ins Verderben geritten: Sie vergab ungewöhnlich viele große Kredite und – ganz ungewöhnlich für eine normalerweise auf ihre Region fixierte Volksbank mit gerade mal 1.000 zumeist privaten Kunden – sie vergab sehr viele Kredite ins Ausland, vor allem in jüngster Zeit.
Der Verdacht steht seit längerem im Raum, dass die Lauenburger Volksbank zum Selbstbedienungsladen des Osmani-Clans verkommen war. Deshalb wird gegen Ex-Bankvorstand Carsten Heitmann und Ex-Aufsichtsratsmitglied und Wirtschaftsanwalt Hauke Hillmer wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Kriminellen Vereinigung ermittelt. Sie sollen mit den aus dem Kosovo stammenden Osmani-Brüdern zusammengearbeitet haben.
Deswegen ist inzwischen das Dezernat Organisierte Kriminalität der Hamburger Polizei aktiv geworden. Anfang Oktober filzten 200 Ermittler in mehreren Bundesländern 60 Objekte des Osmani-Imperiums, das auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Burim Osmani, der die Kredite aus Lauenburg erhielt, sitzt seit Mai wegen des Verdachts der Untreue im Haft.
Der Einfluss der Osmanis auf Politik und Wirtschaft in der Hansestadt ist seit dem Sommer immer wieder Gegenstand heftiger politischer Kontroversen. Die rot-grüne Opposition hat dem CDU-Senat Untätigkeit gegenüber der Organisierten Kriminalität vorgeworfen und in Teilen sogar Zusammenarbeit mit „mafiösen“ Osmani-Firmen unterstellt (siehe Kasten).
Hauke Hillmer ist als Geschäftsführer der Geesthachter Immobilienfirma Cantina Bau persönlich und wirtschaftlich mit Osmanis Grundstücksgesellschaft GGS verquickt. Nachdem im Zusammenhang mit den Osmani-Krediten, unter anderem für ein dubioses Hotelprojekt in Kroatien, ermittelt wird, ist auch Hillmers Firmenkonstrukt ins Straucheln geraten: Mitte November meldete Cantina-Bau Insolvenz an. Ausgeblieben war eine angeblich eingeplante Versicherungszahlung von 1,3 Millionen Euro aufgrund eines Großfeuers im Hamburger Stadtteil St. Georg, bei dem ein Wohnhaus offensichtlich durch Brandstiftung zerstört wurde.
Vergangene Woche wurde Hillmer wegen Steuerhinterziehung zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Rund 4,5 Millionen Mark wollte er einst als Geschäftsführer der „Cantina GmbH“ angeblich an seinen russischen Geschäftspartner für ein Bauvorhaben bei Moskau gezahlt haben. Damit verwandelte er den Gewinn seiner Firma in Höhe von damals 2,1 Millionen Mark in einen Verlust, um keine Steuern zahlen zu müssen. „Das war nur ein buchhalterisches Luftgeschäft, denn die Geschäftsverbindung nach Russland hat es ja tatsächlich gegeben“, so seine erfolglose Verteidigung. Bereits 2004 wurden Hillmer und Burim Osmani wegen eines gemeinsamen Projektes wegen Steuerhinterziehung verurteilt.