: Der größte Menschenhändler seiner Zeit
Der Protest gegen die Büste für Heinrich Carl von Schimmelmann am Wandsbeker Markt in Hamburg reißt nicht ab: Eine 58-Jährige kettet sich täglich an das Abbild, eine Rechtsanwältin klagt wegen Beleidigung gegen die Kultursenatorin und die Black Community bedrängt die CDU in Wandsbek
VON FRIEDERIKE GRÄFF
Das Denkmal, an das sich Gisela Walk ankettet, ist nicht besonders groß. Es ist die Büste eines griesgrämig aussehenden Mannes mit Perücke, und die Inschrift auf dem Sockel ist wegen der roten Farbreste daran schlecht zu lesen. Gisela Walk hat ihm einen Zettel um den Kopf gehängt, auf den sie mit blauem Filzstift geschrieben hat: „Kein Denkmal für den Sklavenhändler“. Und darunter: „Rücktritt Bezirksamtsleiter Fuchs und Karin von Welck“.
Die Büste für Heinrich Carl von Schimmelmann haben der Bezirksamtsleiter von Wandsbek und die Hamburger Kultursenatorin im September eingeweiht. Sie steht auf einer Verkehrsinsel neben einem Busbahnhof, neben den Büsten von Tycho Brahe, dem Astronom und der des Grafen Rantzau, der hier eine Burg bauen ließ. Die Büsten sollen die Wandsbeker an die Menschen erinnern, die wichtig für Wandsbek waren, so zumindest erklären es die Menschen im Bezirksamt und in der Kulturbehörde. „Er war ein Sklavenhalter und hat die Menschenrechte verletzt“, entgegnen dann Gisela Walk, die neu gegründete „Black Community“ und die Wandsbeker Opposition aus SPD und GAL.
Wenn man den Sprecher der Kulturbehörde in Sachen Schimmelmann anruft, schweigt er erst einmal. Dann sagt er, dass die Büste „keine Ehrung“ sei, sondern „im Kontext eines Menschen zu sehen sei, der mit Wandsbek wahnsinnig viel zu tun gehabt habe“. Und schließlich verweise eine Tafel darauf, dass Schimmelmann sein Geld, mit dem er unter anderem das Wandsbeker Schloss bauen ließ, auch durch Sklavenhandel verdiente. „Die Kultursenatorin begrüßt die Diskussion um die Biographie von Schimmelmann“, sagt der Pressesprecher. „Insgesamt kann die Diskussion um Hamburger Persönlichkeiten im Kolonialismus nicht maßgeblich von der Kulturbehörde geführt werden.“ Von wem dann? „Von Institutionen wie der Hamburger Universität mit dem Schwerpunkt Überseegeschichte“.
Für Gisela Walk macht die Tafel, die der Pressesprecher erwähnt hat, die Sache nur noch schlimmer. „Auch durch den so genannten Dreieckshandel (Kattun und Gewehre, Sklaven, Zuckerrohr und Baumwolle) zwischen Europa, Afrika und Amerika galt er als reichster Mann Europas“, steht darauf. „Das ist ein Skandal“, sagt sie und hängt eines ihrer Schilder darüber, auf dem ein Herz mit einem S darin zu sehen ist – das sei der Brandstempel, der Schimmelmanns Sklaven eintätowiert wurde.
Das Schild steckt in einer Klarsichtfolie, und vor dem Denkmal liegen noch die Steine, unter die sie die Stoffunterlage für die Buttons legt. Gisela Walk ist geübt im Protest, schließlich steht sie seit dem 10. November jeden Tag von Montag bis Freitag eine Stunde am Denkmal. „Eine Stunde in Ketten gegen das Schimmelmann-Denkmal“, so hat sie ihren Protest auf der von ihr einberufenen Pressekonferenz genannt. Die Konferenz war nicht wirklich gut besucht, vor allem waren ein Praktikant der Hamburger Morgenpost und die Pfarrerin der benachbarten Christuskirche gekommen. „Ich schlag mir ein Ei drauf“, sagt Gisela Walk dazu.
Sie ist protesterfahren. Wenn sie über ihr bisheriges 58-jähriges Leben spricht, klingt es wie eine Kette von Widerstand: mit Bürgerinitiativen, die sich solidarisch erklärten mit Werksbesetzungen und immer wieder Hilfe für die Gewerkschaftsbewegung. Sie ist wortkarg, wenn sie über ihr eigenes Berufsleben spricht, nur soviel ist zu erfahren, dass sie einmal als Psychologin gearbeitet hat, Ende der 1980er Jahre als parteilose Nachrückerin ein Jahr für die GAL-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft gesessen und nun ALG II beantragt hat. Geblieben ist ihr aus der Zeit als Politikerin ein gutes Gespür für Öffentlichkeitswirksamkeit. „Eine PR-Aktion“ nennt sie das Anketten, für das sie die schwarze Plastikkette bei der Wandsbeker GAL ausgeliehen hat. Die ist sieben Meter lang, und Gisela Walk legt sich das Ende wie ein Geschmeide um den Hals.
Vor dem Wandsbeker Kulturausschuss und der Bezirksversammlung hat sie Heinrich Heine zitiert. Sie hat sich gemeldet, ist aufgestanden und hat aus dem „Sklavenschiff“ vorgetragen. „Die Leute waren zu Tränen gerührt“, sagt sie. Und auch das Anketten versteht sie als etwas nahezu Künstlerisches, als „Interaktion“ mit dem öffentlichen Platz und den Leuten, die dort vorbeikommen. „Es ist kein Martyrium“, das sagt sie mehrmals. Und ihrer Arthritis täte die Kälte ohnehin gut. Sie nimmt sich die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann die Stunde fürs Anketten gekommen ist, sie redet mit den Passanten, zumindest mit den „80 Prozent“ Sympathisanten, ignoriert die anderen und verteilt gegen eine Spende die Buttons mit dem Schimmelmannschen „S“, die ein befreundeter ALG II-Empfänger für sie druckt. Der Protest gegen das Schimmelmann-Denkmal ist für sie nicht nur Widerstand gegen die Sklaverei der Vergangenheit, sondern auch gegen die, die sie in der Gegenwart sieht: „In den Sweatshops in Mexiko und China, aber auch gegen den Niedriglohnsektor und die 1-Euro-Jobs: Das hängt für mich alles zusammen.“ Und wie lange wird sie protestieren? „Ich will es am Köcheln halten“, sagt sie.
Gegen das Schimmelmann-Denkmal protestieren längst verschiedenste Gruppen: Die Wandsbeker GAL- und SPD-Fraktionen haben einen Antrag für den Abriss gestellt, den die CDU-Mehrheit ablehnte. In der Folge schrieb die GAL die Hamburger Konsulate an und forderte sie auf, Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Nachdem sie darauf keine Antwort erhielt, schickte sie Briefe an 17 afrikanische Botschaften in Berlin mit der Bitte, sich für die Entfernung einzusetzen. Frank Hiemer, der kulturpolitische Sprecher der Wandsbeker GAL spricht mit einer gewissen Freude über die Vertreter der Black Community, die in die Ausschuss-Sitzungen kämen und „nervten“.
Pressesprecherin der Hamburger Black Community ist Victoria Robinson, die Wert darauf legt, dass der Widerstand nicht durchweg ein „internationaler“ ist. Sondern ein Widerstand der Schwarzen selbst. Zwei Demonstrationen haben sie bislang organisiert und beabsichtigen, künftig bei allen Kulturausschusssitzungen dabei zu sein. Bislang, so sagt Victoria Robinson, hätten sie von der CDU-Fraktion keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. „Sie haben sich körperlich weggedreht, wenn wir mit ihnen sprechen wollten.“ Einmal habe man die Diskussion wegen eines Formfehlers im Antrag abgelehnt, beim letzten Mal war der CDU der Ton zu provokant. Die Vertreter der Black Community hatten gefragt, ob Wandbek Interesse habe, nur als Standort der am besten organisierten Hamburger Neonazi-Szene und Befürworter eines rassistischen Denkmals in den Schlagzeilen zu erscheinen. „Wir diskutieren nicht auf dieser Ebene“, war die Antwort darauf.
Inzwischen ist auch Strafanzeige in der Sache Schimmelmann erstattet worden. Die Hamburger Rechtsanwältin Ama-Pokua von Perreia hat gemeinsam mit einem Kollegen Anzeige gegen die Hamburger Kultursenatorin und den Wandsbeker Kulturamtsleiter erstattet und zwar wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. In der Begründung heißt es: Schimmelmann „hielt tausende Menschen auf seinen Plantagen als Sklaven, quälte, peitschte, brandmarkte, folterte und ermordete sie durch seine Behandlung. Zudem verschiffte er mit gecharterten Schiffen tausende Sklaven von der westafrikanischen Küste nach Amerika. Es handelt sich um einen der führenden Menschenhändler seiner Zeit“. „Noch ist nicht viel passiert“, sagt von Pereia. „Die Vorermittlungen laufen noch“.