piwik no script img

Archiv-Artikel

Kreuzberg gibt Wowereit schlechte Noten

Der Regierende Bürgermeister erklärt im Fernsehen, Kreuzbergs Schulen seien unzumutbar – und löst damit eine Protestlawine aus. Der Bürgermeister des Bezirks fordert eine Entschuldigung, Schulleiterinnen fühlen sich demotiviert

Der kinderlose Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat seinen Kritikern neue Nahrung gegeben. In einer Sendung des TV-Nachrichtenkanals N 24 hatte Wowereit am Mittwochabend auf die Frage, ob er seine Kinder auf eine Schule in Kreuzberg schicken würde, mit „Nein“ geantwortet. Dann ergänzte er: „Ich kann auch jeden verstehen, der sagt, dass er da seine Kinder nicht hinschickt.“ Nach einem Lob des „weit gefächerten Bildungssystems“ wies Wowereit auf Probleme in einigen Schulen, „beispielsweise in Vierteln mit hohem Ausländeranteil“, hin.

Der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), sprach von einer „katastrophalen Äußerung, die an Arroganz kaum zu überbieten“ sei. Damit mache Wowereit die gesamte engagierte Arbeit von Lehrern, Schülern und Eltern in Kreuzberg zunichte. Schulz forderte von dem Regierenden Bürgermeister eine Entschuldigung. In Kreuzberg gebe es zahlreiche vorbildliche Schulen und Bildungsprojekte. Auch die Lemgo-Grundschule, die am Montag für ihr Projekt „Vorbilder machen Mut“ mit der „Berliner Tulpe“ für deutsch-türkischen Gemeinsinn ausgezeichnet wird, gehöre dazu. Der Preis soll im Roten Rathaus übergeben werden – ausgerechnet von Wowereit. Die Gesamtelternvertreterin der Lemgo-Schule, Traudl Kellermann, wird den Preis zusammen mit zwei Schülern entgegennehmen. Für Wowereits Äußerung fand sie nur zwei Worte: „ignorant und arrogant“.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Rose-Marie Seggelke, verurteilte Wowereits Auftritt: „Will man die Kreuzberger Schulen attraktiver machen, helfen nassforsche Sprüche nicht.“ Sie forderte mehr Geld für die Schulen des Bezirks.

Friedbert Pflüger, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sagte, die Aussage sei „eine Bankrotterklärung der SPD-Schul- und -Integrationspolitik“. Wowereit stigmatisiere einen ganzen Bezirk. Aus der grünen Ecke kam eine Ermahnung: „Sicherlich gibt es an Kreuzberger Schulen viele Probleme. Doch ein Regierender Bürgermeister hat die Pflicht, diese Probleme anzugehen, statt sie durch unbedachte Äußerungen zu verschärfen“, so die Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig.

Von der taz befragte Schulleiterinnen reagierten empört. Die Leiterin der Clara-Grunwald-Schule, Regina Arlt, wird Wowereit ihren Unmut in einem Brief, unterschrieben vom Kollegium, mitteilen. Christina Rösch von der Leibniz-Oberschule sagte: „Diese Aussage ist nicht sehr motivierend.“

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wollte sich nicht zu dem Fall äußern, sondern verwies auf Wowereits Sprecher, Michael Donnermeyer. Der sagte der taz, Wowereit bedauere, wenn jemand seine Worte missverstanden hätte. Es sei keine Aussage gegen Kreuzberg gewesen. Im Übrigen seien die Zitate verkürzt wiedergegeben worden, so Donnermeyer. Den Eltern jener Kinder, für die Wowereit Ehrenpatenschaften übernommen hat, rate der Regierende nicht zu einer bestimmten Schule, so sein Sprecher: „Das wissen die selber.“ P. Plarre, D. Schottner