: Zu spät ist es nie
CHANCEN Jeder zweite Schulabbrecher holt den Hauptschulabschluss nach. Die Wege dorthin sind je nach Bundesland verschieden
VON GORDON BARNARD
Ohne ihn an einen Ausbildungsplatz zu gelangen, ist heute kaum noch möglich. Dennoch fehlt in Deutschland 7,5 Prozent aller Schüler der erste Schulabschluss, auch Hauptschulabschluss genannt. Allein im Jahr 2008 beendeten rund 65.000 Schüler ihre Schullaufbahn erfolglos, das geht aus einer im Herbst 2010 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung hervor. In Mecklenburg-Vorpommern lag dieser Wert sogar bei 18 Prozent.
Die Untersuchung zeigt aber auch auf, dass es nach der Schulzeit nicht zu spät ist, um dieses Zertifikat zu ergattern: Ihr zufolge holt etwa die Hälfte der Schulabbrecher den Hauptschulabschluss noch nach.
Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig. In den meisten Bundesländern erhält man den Hauptschulabschluss automatisch mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Nur scheint es hier zunächst ein bischen wie beim Hauptmann von Köpenick: Ohne Abschluss keine Ausbildung, ohne Ausbildung keinen Abschluss. Doch es gibt Wege, etwa nach erfolgreichem Abschluss staatlicher Ersatzmaßnahmen, in eine Ausbildung zu gelangen. In Hamburg ist eine fertige Ausbildung dem Hauptschulabschluss ebenbürtig, sofern der Berufsschulteil mit mindestens 4,0 abgeschlossen wird. Der direktere Weg ist, den Abschluss nachzuholen. Da Bildung Ländersache ist, unterscheiden sich die Möglichkeiten voneinander.
In Schleswig-Holstein, wo wie in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Berufsschulpflicht bis zum 18. Lebensjahr besteht, gibt es die Chance zum Nachholen im Berufsgrundbildungsjahr. Das ist offen für alle Schüler ohne Abschluss und wird in Vollzeit abgeleistet, das Zeugnis ist mit dem Hauptschulabschluss gleichwertig. Alternativ sind auch berufsvorbereitende Maßnahmen wie Fortbildungen möglich, die in der Regel neun Monate dauern.
In Bremen, wo zwölf Jahre Schulpflicht gelten, ist der Besuch einer Berufsfachschule möglich, die in ein bis zwei Jahren zum nachträglichen Hauptschulabschluss führt und auf ein Berufsbild vorbereitet. Außerdem gibt es noch die Erwachsenenschule, bei der in einem Jahr an zwei bis drei Abendterminen pro Woche der Abschluss nachgeholt werden kann.
In allen Länder gibt es die Möglichkeit einer externen Prüfung, für die Volkshochschulen Vorbereitungskurse anbieten. Diese sind in der Regel Pflicht, allerdings nicht in Mecklenburg-Vorpommern: Hier kann man auch privat für die Prüfung büffeln und sich dann testen lassen. Hilfestellung bieten dort berufsvorbereitende Maßnahmen wie Fortbildungen, die von der Agentur für Arbeit oder dem Land gefördert werden.
In Niedersachsen gilt – wie auch in Bremen – eine zwölfjährige Schulpflicht, den Hauptschulabschluss erwirbt man hier nach neun Jahren. Dadurch müssen Schulabbrecher auf eine berufsbildende Schule wechseln, an denen es grundsätzlich zwei Angebote gibt: Zum einen das Berufsvorbereitungsjahr, in dem Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die besondere individuelle und sozialpädagogische Begleitung benötigen. Zum anderen die Berufseinstiegsklasse, die ebenfalls ein Jahr in Vollzeit absolviert wird. Hier wird bei besonderem Fokus auf Deutsch, Englisch und Mathematik der Hauptschulabschluss nachgeholt oder verbessert.
Zweite Möglichkeit ist wie auch in anderen Bundesländern der Weg über die „Nichtschülerprüfung“. Die dafür nötigen Vorbereitungskurse bieten Volkshochschulen, der Einstieg ist nach der neunten oder zehnten Klasse möglich.
Auch in Hamburg gibt es im Rahmen der Berufsschulpflicht die Möglichkeit, den Abschluss nachzuholen. Für ältere gibt es als Pendant zur „Nichtschülerprüfung“ die „externe Hauptschulabschlussprüfung“, daneben aber noch eine weitere Möglichkeit: die staatlichen Abendschulen. „Für die Teilnahme am Abendunterricht muss man 18 Jahre alt sein“, sagt Ulrike Scholz, stellvertretende Schulleiterin an der Abendschule Vor dem Holstentor. Den Hauptschulabschluss erreiche man innerhalb eines Jahres an je fünf Abendterminen in der Woche.