: Märtyrer unter Marmor
Ein PR-Coup zeigt wieder einmal, wie unterhaltsam Kirche sein kann: das Grab des Heiligen Paulus ist „entdeckt“
Wer auch immer die „public relations“ des Vatikan zu verantworten hat, er macht eine hervorragende Arbeit. Jüngstes Beispiel ist die Meldung, unter der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern sei das Grab des Co-Kirchengründers Paulus („the apostle formerly known as Saulus“) wiederentdeckt worden.
Nein, es geht hier nicht darum, dass sich die katholische Kirche „bewegt“. Was Rom unter „Bewegung“ sich vorstellt, geschieht unterhalb der Reizschwelle unserer modernen Mediengewohnheiten und war dem geübten Auge zuletzt beim Besuch Benedikts beim orthodoxen Patriarchen in der Türkei aufgefallen, der in bester pontifikaler (also: brückenbauender) Tradition die tausendjährige Kluft zwischen West- und Ostkirche überbrücken sollte – da hieß sogar Istanbul in der offiziellen Berichterstattung für eine Weile wieder: Konstantinopel.
Diesem Kirchenbesuch zuzuschauen war, als würde man Kontinentalplatten beim Driften beobachten. Vor diesem Hintergrund sind die positiven päpstlichen Äußerungen zu einem EU-Beitritt der Türkei zwar nicht als Makulatur, aber doch nur als oberflächliche Landschaftspflege zu werten.
Nun also Paulus, von dem man weiß, dass er nach seinem Tod im Jahr 67 an der Via Ostia begraben wurde. Christenkaiser Konstantin hatte über der Krypta eine erste Kirche errichten lassen, die im Laufe der Jahrhunderte ausgebaut und zerstört und wieder aufgebaut und zerstört und 1545 dann geschlossen und vergessen wurde. Wie genau der nun entdeckte Sarkophag auf Paulus-Spuren untersucht werden soll, ist noch offen. Kein Wunder, wurde mit Reliquien früher doch allerhand Schindluder getrieben. Glaubt man den Beglaubigungen der Kirche, dann gibt es so viele Originalsplitter vom Kreuz Christi, dass sich daraus mühelos eine neue Arche zimmern ließe. FRA