: Ruhe eines Grundmusters
Der vor hundert Jahren in Gelsenkirchen geborene Anton Stankowski wird im Bottroper Quadrat ausgestellt. Der Designer, Grafiker und Künstler ist kaum bekannt, seine Entwürfe kennt fast jeder
VON KATJA BEHRENS
Wenn sich das übliche Kunstpublikum vielleicht auch nicht gleich angesprochen fühlen mag: Der Blick auf die oft verschmähte angewandte Kunst lohnt sich – mitunter. Das Nachkriegsdesign des Graphikers Anton Stankowski hat beispielsweise das Erscheinungsbild des bundesrepublikanischen Alltags entschieden mitgeprägt. Es wurde immer wieder aufgegriffen, angeeignet und ausgeliehen. Und auch so ein Teil unseres urbanen Lebens. Die Entwürfe und Marken, die er etwa für die Deutsche Bank, die Firmen Iduna, PapStar oder Rewe, für PanAm und IBM, aber auch für Kochzeitschriften und Segelregatten geplant und realisiert hat, sind mehr als bloß designte Oberfläche oder markantes Label einer allmählich vergehenden Epoche und ihrer sozialen Wirklichkeit.
Im Museum Quadrat in Bottrop – von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes (AICA) für seine zielstrebige und erfolgreiche Ausstellungs- und Sammlungspolitik jenseits modischer Trends gerade zum „Museum des Jahres 2006“ gekürt – werden nun einzelne Aspekte des Gesamtwerks von Stankowski (1906-1998) beleuchtet. Der wurde nicht weit weg vor hundert Jahren in Gelsenkirchen geboren. Nachdem die Schau schon in Stuttgart und Zürich – den beiden anderen wichtigen Orten seines Schaffens – zu sehen war, ist die vorläufig letzte Station nun das Josef-Albers-Museum.
Die ausgestellten Entwürfe und Layouts, die Skizzen und Plakate, die Fotografien und Modelle, sowie 116 Skizzenbücher, die die Vielgestaltigkeit eines langen Arbeitslebens dokumentieren, sind nur ein Bruchteil dessen, was Stankowski gemacht hat. Nebenbei vermitteln sie eine Ahnung davon, wie ein Graphiker vor dem Computerzeitalter gearbeitet hat. Die umfassendere „Demonstration der Vielseitigkeit und der einheitlichen Bemühungen von Kunst, Design und Fotografie“ ist heute Aufgabe der 1983 in Stuttgart gegründeten Stankowski-Stiftung, die von seinem langjährigen Mitarbeiter und Freund Karl Duschek geleitet und gerne kommentiert wird. Stankowskis Anliegen der gegenseitigen Bereicherung und Inspiration von freier und angewandter Kunst wird in der Ausstellung durchaus deutlich. Nur sind die gemalten Bilder, deren Geometrie offenbar irgendwie mit Albers in Bezug stehen soll, sicher die schwächsten Exponate.
Wunderbar umständlich nennt Duschek das legendäre Berlin-Layout ein „Systemzeichen“ mit Gesamtgestaltung aller Informationselemente und Dokumentation als Richtlinienbroschüre (Manual)“. Inzwischen ist einer der frühesten und überzeugendsten Corporate Design-Entwürfe für die Stadt Berlin freilich durch „politische Nörgelei“ und Dummheit verwässert, ihre ursprüngliche schlichte Schönheit nur schwer noch erkennbar. Die originalen Entwürfe aber, die in Bottrop in einer Vitrine ausliegen, können in ihrer souveränen Gestaltung selbst dem Laien eine Idee davon vermitteln, was graphische Gestaltung sein kann und sollte. Zeigen sie doch eines der gestalterischen Grundkonzepte des Entwerfers: die sichtbare Ausgeglichenheit von Aufwand und Resultat. Ökonomie, erkennbar in der formalen Schönheit einfacher Elemente.
Die Fotografien Anton Stankowskis mögen mit ihrer gewagten Aufsicht, den dramatischen Schatten und den beiläufigen Motiven an die älteren Fotografen-Kollegen wie Moholy-Nagy oder Umbo erinnern, ihre stilbildende Ästhetik lässt sich nicht leugnen. Denn die formalen Entscheidungen, die in der Fotografie noch experimentell daherkommen, werden später in den Produkt- und Werbeaufträgen, die Stankowski bald nach Kriegsende bekommt, zu einer neuen Bildsprache ausformuliert. Die Montage unter Verwendung von Fotografien etwa war eine Neuerung, mit der Stankowski das Werbedesign erweiterte. Ebenso wie die Diagonale, die er als dynamisierendes Gestaltungsmittel entdeckte. Die Schräge, so Karl Duschek über seinen Freund und Kollegen, sei Anton Stankowskis Beitrag zur konkreten Kunst gewesen. Von den Utopien der Konstruktivisten, dem Fortschrittsoptimismus der Futuristen, von Theo van Doesburgs diagonaler Opposition zu Piet Mondrians lotrechter Geometrie hat sich auch die angewandte Kunst anstecken lassen.
Bis 11.2.2007Quadrat, BottropInfos: 02041-29716