: Neuling läuft sich frei
Christian Neuling, Marathonläufer und einer der Hauptangeklagten im Berliner Bankenskandal, leidet unter Depressionen. Deshalb muss der ehemalige Aubis-Manager nicht auf die Anklagebank
von RICHARD ROTHER
Ein erfolgreicher Marathonläufer kann durchaus unter ernsthaften Depressionen leiden. Was auf den ersten Blick verwundert, bringt nun ein Strafprozess um den Berliner Bankenskandal zutage. Denn eine der zentralen Figuren in der Affäre der landeseigenen Bankgesellschaft, der Immobilienmakler Christian Neuling, muss sich vorläufig nicht mehr vor Gericht verantworten. Nach einem erneuten psychiatrischen Gutachten sei Neuling wegen Depressionen nicht verhandlungsfähig, teilte das Landgericht gestern mit. Im September hatte es Aufsehen erregt, dass Neuling bereits damals verhandlungsunfähig war, dennoch aber den Berlin-Marathon gelaufen war. Das Verfahren wegen Steuerhinterziehung wird nun vermutlich eingestellt.
Insgesamt seien bislang zwei vom Gericht bestellte Gutachter unabhängig voneinander zu dem gleichen Ergebnis gekommen, so eine Gerichtssprecherin gestern. Wie jemand trotz Depressionen Marathon laufen könne, sei keine juristische, sondern eine medizinische Frage.
In dem Prozess wird Neuling und anderen Mitbeschuldigten vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Übertragung eines Teils der Aubis-Plattenbauten auf einen von der Berlin Hyp aufgelegten Fonds in den Jahren 1997 bis 1999 Grunderwerbsteuern an das Finanzamt nicht ordnungsgemäß abgeführt zu haben. 2,4 Millionen Euro Steuern sollen hinterzogen worden sein, indem die Behörde über wichtige Sachverhalte in Unkenntnis gelassen wurde.
Der Prozess wird am Montag ohne Neuling fortgesetzt. Vor Gericht steht noch der Immobilienmanager Manfred Schoeps, der als früherer Chef einer Immobilientochter der Bankgesellschaft zu den zentralen Figuren der Bankenaffäre gerechnet wird. Vor einer Woche wurde der frühere Immobilienmanager Hans-Christian Lauritzen zu einer Gefängnisstrafe von elf Monaten auf Bewährung und einer Geldauflage von 200.000 Euro verurteilt. Er hatte ein umfangreiches Geständnis abgelegt, das einen erheblichen Strafrabatt gebracht haben dürfte. Vor solchen Problemen steht Neuling in diesem und in einem weiteren Verfahren erst einmal nicht – solange über Neuling nicht verhandelt wird, kann auch kein Urteil gefällt werden.
Ein weiteres Verfahren im Zusammenhang mit der Bankenaffäre steht kurz vor dem Abschluss. Angeklagt wegen Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu sind hier unter anderem der ehemalige CDU-Fraktions- und Bankenchef Klaus Landowsky und der Ex-Bankgesellschaftschef Wolfgang Rupf. Am Dienstag beginnt die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers in diesem Verfahren, wohl am Mittwoch wird sie das von ihr geforderte Strafmaß verkünden. Die Plädoyers der Verteidiger folgen danach bis in den Januar hinein.