: Mit einem Bein rechtsaußen
Die Wählerinitiative „Bremen muss leben“ will aus dem Stand 25 Prozent bei den nächsten Landtagswahlen erreichen. Stimmungsmache gegen Minderheiten soll den Wahlerfolg bringen
von Christian Jakob
„Verschwiegen und verhetzt“ von den „linken Bremer Medien“ sieht sich die Bürgerinitiative „Bremen muss leben“ des Hamburger Publizisten Joachim Siegerist. Weil die „deutsch-demokratisch-konservative“ Truppe aber dennoch 25 % der Stimmen bei der Landtagswahl im Mai 2007 gewinnen will, erhielten in den vergangenen Tagen 301.000 Bremer Haushalte eine Postwurfsendung des Wahlvereins. Programmatisches findet sich in dem vierseitigen Brief kaum – fremdenfeindliche Sprüche dafür umso mehr.
Siegerist, in Bremen aufgewachsener Gründer der „Deutschen Konservativen“ ist ehemaliger „Hörzu“- und „Bild“-Journalist. Als Publizist handelte er sich diverse Verurteilungen wegen Verleumdung von Politikern ein. 1995 erzielte der lettisch-stämmige Siegerist mit einer von ihm gegründeten nationalistischen Partei ein zweistelliges Ergebnis bei den lettischen Parlamentswahlen.
Nachdem er in den neunziger Jahren „Zigeuner“ als „durchweg übles und kriminelles Pack“ beschimpft hatte, wurde er zu einer Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt.
Verstehen kann er das nicht: „Als Deutscher steht man mit einem Bein im Gefängnis, wenn man offen seine Meinung sagt“, klagt Siegerist in seinem Schreiben. Und das nur, weil er gesagt habe, was er von „Zigeunern, die ihre Kinder narkotisieren und verkrüppeln, um besser mit ihnen betteln zu können“, hält. „Eine Schweinerei“, sagt Manfred Walter, Sprecher des Bremer Sinti-Vereines, sei es, das so jemand zur Wahl antreten könne.
Auch die Bremer Muslime nimmt Siegerist in seinem Brief ins Visier. Ohne einen „muslimischen Martin Luther“, so schreibt er, werde es „niemals ein problemloses Zusammenleben mit dieser Religion geben“. In einem Brief habe er die Fatih-Gemeinde in Gröpelingen aufgefordert, sich von 204 von ihm als „Hass-Verse“ bezeichneten Koran-Suren zu distanzieren. Diese bietet er auch gleich als Zusammenstellung per Versand an.
Hayrettin Aydin ist Sprecher der „Muslimischen Akademie in Deutschland“ und forscht an der Universität Bremen zum Verhältnis von Islam und Politik. „Es ist absurd, Muslime aufzufordern, sich von Koran-Suren zu distanzieren. Zudem stehen im Alten Testament vergleichbare Passagen – und niemand kommt auf die Idee, von Christen zu verlangen, sich davon loszusagen.“ Der Islam unterscheide „zwischen geschriebenem Wort und gelebtem Glauben“. Siegerists aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate zeugten von fehlender Sachkenntnis und seien „unseriös“.
„Wir gedenken nicht, diese Diffamierungen aufzuwerten, indem wir uns auf eine Diskussion mit Herrn Siegerist einlassen“, sagt Hasan Eren, Sprecher der Islamischen Förderation Bremen. Allerdings prüfe die Föderation, der Dachverband der muslimischen Gemeinden im Land, rechtliche Schritte.
Um den bei derlei Ansichten womöglich aufkommenden Verdacht der Fremdenfeindlichkeit auszuräumen, verweist Siegerist auf die Tatsache, dass sein lettischer Vater „nach dem Krieg in Deutschland Asyl bekommen“ habe. Eine Seite zuvor spricht er von seiner Mutter als „Kriegerwitwe“.
Wegen solcher Ungereimtheiten einsetzende Zweifel an seiner Integrität zerstreut Siegerist durch die persönlichen Erklärungen prominenter Konservativer, die ihm am Ende des Briefes attestieren, er sei ein „anständiger Kerl“. Die Unterzeichner sind Experten in Sachen Anstand: Casimir Prinz Wittgenstein beispielsweise wurde wegen der erfundenen „jüdischen Vermächtnisse“ im hessischen CDU-Spendenskandal angeklagt, während der ehemalige Berliner Innensenator Heinrich Lummer Menschenrechte für einen „Irrglauben“ hält, der „Grenzen“ habe.