Der Fonds implodiert

VON ANNA LEHMANN

Die Gesundheitsreform fliegt ihren Urhebern um die Ohren – jedenfalls das Kernstück, der Gesundheitsfonds. „Nur ein Machtwort von Frau Merkel kann ihn noch retten“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zur taz.

Wobei er selbst zu jenen gehört, denen es „überhaupt nicht“ leidtue, wenn der Fonds nicht wie geplant kommt. „Die Beiträge der Versicherten würden weniger stark steigen.“ Der SPD-Linke befindet sich mit seiner Kritik in trauter Eintracht mit den Länderchefs von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Die äußerten am Wochenende unverhohlen ihre Vorbehalte. „Ein Ja zu einer Reform im Blindflug wird es mit Hessen nicht geben“, sagte Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Am Freitag hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Bundesrat gedroht, die Reform abzulehnen. Die Länderkammer hatte den Regierungsentwurf beraten und mit über 100 Änderungswünschen versehen.

Der Gesundheitsfonds soll die Finanzierung des Gesundheitswesens ab 2009 neu regeln. Er ist als Geldsammelstelle für die Beiträge der Versicherten gedacht, die mit einem Steuerzuschuss verrührt werden und als Pauschalen an die Krankenkassen ausgegeben werden. Die Bedenken der Länder gegen das Modell waren letzte Woche durch ein Gutachten genährt worden, das untersucht hatte, wie das Geld aus dem Fonds umverteilt wird. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wären demnach die großen Verlierer: Die Kassen dort würden über 3 Milliarden Euro weniger aus dem Fonds erhalten, als ihre Bürger einzahlen. Das Geld fließt vorwiegend in den Osten.

Die Studie lässt selbst loyalste Mitstreiter von SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zweifeln. Auch der CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller geht vorsichtig auf Distanz zum Gesundheitskompromiss. Er teile die Bedenken der Länder, sagt der Unions-Fraktionsvize. „Wenn die Zahlen sich so bestätigen, können die Länder nicht zustimmen“, so Zöller zur taz. Er fordert, dass noch in dieser Woche geklärt werden müsse, ob die Zahlen des Gutachtens stimmen. „Als wir verhandelten, hieß es aus dem Ministerium, dass die Länder mit höchstens 50 Millionen Euro Mehrbelastung rechnen müssten. 1,6 Milliarden Euro sind aber etwas ganz anderes.“ Diese Einbußen rechneten die Gutachter allein für Baden-Württemberg aus.

„Eine dieser dubiosen Studien“, heißt es dazu im Gesundheitsministerium. Dennoch wollen die Fachleute die neuen Zahlen durchrechnen. Sprecher Andreas Deffner verweist jedoch darauf, dass der Fonds beispielsweise für die bayerischen Kassen allerhöchstens 70 Millionen Euro Mehrkosten bedeute. Schon morgen treffen sich Politiker beider Parteien mit der Gesundheitsministerin, um über Änderungen an der Reform zu beraten.

Die Kanzlerin sicherte zügige Aufklärung zu. Die Bundesregierung habe den festen Willen, die im Zusammenhang mit dem Gutachten aufgetretenen Probleme zu lösen, sagte Merkel. „Ich will gemeinsam mit den Länder hier besonnen und zielgerichtet vorgehen.“

Die Kanzlerin steht unter Druck, denn sie wollte den Fonds unbedingt. Mit dem Kompromiss zwischen der SPD-Bürgerversicherung und der Unions-Kopfpauschale wurde die große Koalition im Herbst gekittet, als sie wegen unvereinbarer Konzepte zu zerbrechen drohte. Außer Merkel und ihrer Gesundheitsministerin glaubte indes kaum jemand an das Fondsmodell.

Eine Koalition aus Krankenkassenvertretern, Ärztelobby, Gewerkschaftern und Arbeitgebern lehnt ihn ab. Vertreter der Kassen verfolgen den Koalitionskrach mit Freude: „Ich bin optimistisch, dass der Fonds den Versicherten zumindest in den nächsten Jahren erspart bleibt“, sagt der Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Florian Lanz.