: Hundeleben für Tegel-Anwohner
TXL-URTEIL
Hunde in der Einflugschneise des Flughafens Tegel sterben früher. Während ein Hundeleben im nicht vom Fluglärm betroffenen Berlin im Durchschnitt dreizehneinhalb Jahre dauert, sterben die Tiere in TXL-Nähe in Pankow, Reinickendorf und Spandau im Durchschnitt mit elf Jahren und acht Monaten. Meist ist ein Herzinfarkt die Todesursache. Das sensible Gehör der Hunde leidet besonders darunter, dass sie mitunter Lärmspitzen von über 75 Dezibel kompensieren müssen. Auch, dass es keine Nacht gibt, in der Ruhe ist, belastet die Hunde sehr. Nur schwerhörige Tiere haben eine normale Lebenserwartung.
Merken Sie es? Tierquälerei ist nicht sexy. In Ihnen regt sich Mitgefühl. Daran hatten Sie noch nicht gedacht, dass es den Hunden in der Einflugschneise von Tegel schlecht geht. Man müsste was tun, nicht wahr?
Zu dumm, dass die erhöhte Hundesterblichkeit erst jetzt bekannt wird. Vor drei Tagen nämlich hat das Oberverwaltungsgericht in Berlin entschieden, dass der Fluglärm von Tegel legal ist. An Hunde hat da niemand gedacht. Die Richter befanden, dass der Flughafen TXL die bundesweit geltenden Lärmgrenzen nicht einhalten müsse, und wer dort wohnt, auch keinen Anspruch hat auf Schallschutz.
Sie glauben es nicht? Kein Hund würde das glauben. Ist aber so. 2007 wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Lärmschutz rund um Flughäfen verschärfte. In das Gesetz wurde eine Ausnahme geschrieben: Für Flughäfen, die innerhalb der nächsten zehn Jahre schließen, braucht das Gesetz nicht zu gelten. In Tegel also. Erst ab 2017 könnte der bessere Lärmschutz greifen. Vielleicht. In der Verhandlung am OVG stellte der Anwalt des Senats das gleich schon mal infrage. Würde das Land ja Milliarden kosten. Es gibt also ein Gesetz, um Menschen vor Fluglärm zu schützen, aber man schließt mal so eben 300.000 Leute und ungezählte Hunde aus. Ein Gerechtigkeitsproblem?
Wen juckt’s?
Die Hunde in der Einflugschneise schlappen lustlos daher. Pitbulls beißen nicht, Doggen jaulen nicht, Dackel kläffen nicht. Warum? Fluglärm ist eine Peitsche. Wer damit lebt, verstummt. Kein Wunder, interessiert die Ungerechtigkeit keinen Berliner, keine Berlinerin. Denn wo keine Schnauze ist, ist auch kein Herz. WALTRAUD SCHWAB