: Feuerschau im Stadion
PYROTECHNIK Die Fußballfans wollen’s krachen lassen im Stadion. Dazu haben sie eine Initiative gegründet. Der DFB signalisiert jetzt Gesprächsbereitschaft
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Aachen hat es kurz vor der Winterpause erwischt, auch Dortmund und Paderborn. Die Klubs wurden bestraft. Ein paar Tausend Euro mussten sie zahlen. Der Grund: unsportliches Verhalten der Fans. Die hatten bengalische Feuer vor oder nach den Spielen ihrer Klubs gezündet. Das ist nicht erlaubt. Aus Sicherheitsgründen verbietet der DFB den Einsatz von pyrotechnischen Erzeugnissen. Viele Fans, vor allem die Ultragruppierungen, die sich für das Spektakel in den Kurven verantwortlich fühlen, halten den DFB deshalb für den Totengräber der Stadionstimmung. 54 Ultragruppierungen gründeten die Initiative „Pyrotechnik legalisieren“. Mehr als 75 Fangruppen aus dem gesamten Bundesgebiet unterstützen das Anliegen. Und jetzt hat der DFB so etwas wie Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Auf dem vom DFB, der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und der Gewerkschaft der Polizei organisierten Kongress „Feindbilder ins Abseits“, an dem Funktionäre, Fanforscher, Fans und Polizisten teilnahmen, wurde Helmut Spahn, dem Sicherheitsbeauftragten des Fußballbundes, am Mittwoch ein Konzept übergeben, in dem die Anhänger erläutern, wie sie sich eine Legalisierung vorstellen. „Wir wollen das ergebnisoffen diskutieren“, sagte Spahn. „Schluss mit Böllern, Kanonenschlägen und sonstigen Knallkörpern. Die Dinger sind klein und fies“, heißt es im Konzept der Ultras. Der Verzicht darauf ist ein Angebot der Fans. Und das wollen sie: „Die Schaffung von Rahmenbedingungen für legales Abbrennen von Pyrotechnik in unseren Kurven.“
Böse Pyros – gute Pyros. Die Ultras träumen von bunt erleuchteten Stadien, erinnern an Bilder aus den 90er Jahren, in denen bengalische Feuer in Deutschland noch geduldet waren und die Vereine in ihre Jahreskalender Fotos von brennenden Kurven druckten, um zu zeigen, welch tolle Stimmung bei ihren Spielen herrschte.
Freude solle transportiert werden mit den bunten Rauchwolken. Das sagt Jannis Busse, der Sprecher der Legalisierungsinitiative.
Von Freude wird keiner sprechen, der im Februar letzten Jahres dabei war, als sich in Bochum kurz vor Beginn des Bundesligaspiels gegen den 1. FC Nürnberg acht Menschen zum Teil schwer verletzten, weil ein Feuerwerk unkontrolliert abbrannte. Die gelb-roten Rauchschwaden wurden schnell zum Sinnbild für Fangewalt. Dass die Diskussion um die Legalisierung von bengalischen Fackeln jetzt endlich ernsthaft geführt wird, habe auch mit diesem grausigen Vorfall zu tun, meint Busse. Oft würden die Erzeugnisse auseinandergefummelt, um sie durch die Stadionkontrollen zu bekommen. Beim Zusammensetzen entstünden dann nicht selten unkontrollierbare Bastelerzeugnisse. „Eine Legalisierung trägt auch zur Sicherheit in den Stadien bei“, sagt Busse.
Wie eine legalisierte Pyroshow in der Kurve genehmigt werden könnte, das hat im vergangenen Jahr der Regionalligist Chemnitzer FC vorgemacht. Dort haben Fanvertreter zusammen mit einem szenekundigen Beamten der Polizei und der Feuerwehr einen Plan zum wohldosierten Abbrennen von bengalischen Feuern ausgearbeitet. Mit diesem wandten sie sich an den DFB. Der lehnte die Rauchshow jedoch ab. Auch in Österreichs Bundesliga können sich die Fans ihre Feuerschau genehmigen lassen.
„Dort ist die Diskussion viel weiter“, meint Busse. Namhafte Profis und Klubs machen sich da für rauchende Fanchoreografien stark. In Deutschland sind derartige Statements nicht zu hören. Frank Rost, der HSV-Torhüter, der einmal nach dem letzten Saisonspiel vor der Fankurve eine bengalische Fackel schwenkte, wird von den Ultras da gerne als einzigartiges, wahrhaft leuchtendes Beispiel angeführt. Jannis Busse merkt an: „Stadionverbot hat der nicht gekriegt.“
Das riskieren Woche für Woche etliche Ultras, die Pyroerzeugnisse in die Stadien schmuggeln. Auch dem Sicherheitskongress am Mittwoch in Frankfurt wurde vorgerechnet, dass immer mehr Fackeln in den Stadien brennen. Die Nachrichten über Strafen für die Vereine häufen sich mittlerweile. „Der DFB reagiert mit seinem Gesprächsangebot nur auf den Istzustand“, vermutet Busse. Die „vermeintliche Totalüberwachung“ habe die bengalischen Feuer nicht zu löschen vermocht. Weil sich die Ultras das Zündeln nicht verbieten lassen, glauben sie, dass es ihnen erlaubt wird.