Der Immobilienboom in den USA ist zu Ende

Die Preise für Häuser steigen nicht mehr. Skeptiker befürchten Privatbankrotte und sinkendes Wirtschaftswachstum

WASHINGTON taz ■ Diesmal sind sie sich sicher, die Experten und professionellen Schwarzseher. Das aufgeblähte Gebilde der sogenannten „US-Housing bubble“, der Immobilienpreisblase, sei dabei zu platzen, sagen sie. Solche alarmistischen Rufe hat es zwar regelmäßig auch in den vergangenen Jahren gegeben, mittlerweile aber liegen offizielle Daten vor.

Statistiken der US-Regierung zufolge hat sich die Preissteigerung für Einfamilienhäuser im dritten Quartal 2006 deutlich verlangsamt und war inflationsbereinigt sogar gleich null. Die Hauspreise, so Analysten, geben vor allem in den Küstenregionen Neu Englands, New Yorks und Kaliforniens nach. Überall Schwund, bis auf einige Boom-Städte im mittleren und südlichen Westen der USA, wo noch eine nachholende Entwicklung stattfände. Das US-Büro der Federal Housing Enterprise Oversight meldet, dass die Immobilienpreise im dritten Quartal insgesamt in 92 von 379 urbanen Regionen fielen, im zweiten Quartal waren 87 Regionen betroffen.

„Wir haben deutliche Anzeichen dafür, dass die Immobilienpreise sinken“, sagt Patrick J. Lawler, Chefökonom der Dachorganisation, die die branchenführenden Hypothekenaufkäufer Fannie Mae und Freddie Mac steuert. „Aber wir gehen nicht davon aus, dass die Blase überall in den USA platzt.“ Eine Anpassung sei jedoch überfällig, meint Lawler, denn Preise für Einfamilienhäuser seien in den letzten fünf Jahren landesweit um 55 Prozent, in manchen Boomregionen sogar um 70 Prozent gestiegen. Die gegenwärtige Abkühlung sei überraschend, weil sie nicht durch Rezession und Arbeitslosigkeit ausgelöst werde, wie es in früheren Zyklen der Fall war. Nun aber schwinge das Pendel zurück, so Lawler. Häuser und Grundstücke zu mieten, sei wieder deutlich attraktiver, als sie zu kaufen.

Millionen US-amerikanischer Familien droht nun ein finanzielles Desaster, weil sie Eigentum zu aufgeblähten Preisen erstanden haben. Diese privaten Pleiten würden eine negative Kettenreaktion in Gang setzen und den US-Konsummarkt drücken, warnt Paul Krugmann, Ökonom an der Universität Princeton und Kolumnist der New York Times. „In den letzten Jahren rührten die meisten guten US-Wirtschaftsnachrichten vom boomenden Immobilienmarkt her. Nun, wo dieser Motor schlapp macht, stehen den USA Pleiten, verlorene Jobs, ja, vielleicht eine Rezession bevor,“ mutmaßt Krugmann.

Der Ökonom führt die wirtschaftliche Wiederbelebung in den USA seit 2001 überwiegend auf den Bauboom und die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze zurück. Auf der Basis steigender Immobilienpreise und -werte hätten viele US-Bürger hohe Kredite aufgenommen und das Geld in den Konsum gesteckt. Nun drohe mancher Familie die Zahlungsunfähigkeit.

Die Experten des gemeinsam mit Freddie Mac betriebenen „Joint Centers for Housing Studies“ (JCHS) der Harvard-Universität kommen allerdings zu anderen Schlüssen. Sie halten Schwarzsehern entgegen, es gäbe keine „housing bubble“. Ein signifikanter Verfall der Immobilienpreise sei schlichtweg unrealistisch. Seit der Großen Depression sei der Immobilienpreis in den USA kontinuierlich gestiegen – und werde weiter steigen, weil mit der Generation der „Baby Boomer“ bald sehr wohlhabende Rentner auf dem Hausmarkt aktiv würden. Zudem biete ein gesunder Arbeitsmarkt landesweit genügend Jobs. Wirtschaftsfachleute des linksliberalen Centers for American Progress in Washington weisen allerdings darauf hin, dass das JCHS von der Immobilienbranche finanziert wird – und daher die Dinge noch so lange wie möglich positiv betrachten möchte. ADRIENNE WOLTERSDORF