: In ein unbekanntes Land
Fadia Omeirat, ihr Mann und ihre sieben Kinder müssten unter die neue Bleiberechtsregelung fallen: Seit 16 Jahren lebt die Familie in Bremerhaven. Trotzdem droht ihr jetzt die Abschiebung
von CHRISTIAN JAKOB
Verschlafen und von hoher Arbeitslosigkeit geplagt – Bremerhaven hat keinen tollen Ruf. Fadia Omeirat möchte dennoch nirgendwo anders leben. „Hier ist jetzt meine Heimat“, sagt die 34-jährige Libanesin. „Ich habe die Hälfte meines Lebens hier verbracht. Meine Kinder wurden hier geboren und drei meiner Cousins wohnen auch hier.“
Dennoch könnten Fadia Omeirats Bremerhavener Tage gezählt sein. Denn vor kurzem erhielt sie einen Brief vom Magistrat der Stadt. „Am 5. Januar um 6.00 Uhr morgens werden Beamte der Verwaltungspolizei Sie abholen und zum Flughafen bringen“, steht darin. Fadia Omeirat, ihr Mann Abdulaziz Saado und ihre sieben minderjährigen Kinder sollen abgeschoben werden. In die Türkei.
Bis auf ihren Mann, der dort geboren wurde, aber als Kleinkind in den Libanon kam, hat kein Familiemitglied je die Türkei betreten. Die Familie kam 1990 nach Bremerhaven, auf der Flucht vorm Bürgerkrieg. Die Ausländerbehörde wirft ihnen jedoch vor, falsche Angaben über ihre Staatsangehörigkeit gemacht zu haben.
Seit Jahren lebt die Familie mit einer Duldung, die Eltern dürfen nicht arbeiten. Zum Leben erhalten sie Leistungen nach dem „Asylbewerberleistungsgesetz“ : 1.300 Euro pro Monat für neun Personen. Normalerweise würden sie unter die neue Bleiberechtsregelung fallen. Wegen der angeblichen Identitätsverschleierung ist die Familie davon ausgeschlossen. Viermal hat wurde schon versucht, sie abzuschieben, doch bisher weigerte sich die türkische Botschaft jedes Mal, Reisepapiere auszustellen. Laut Ausländerbehörde soll das diesmal anders sein.
Während Fadia Omeirat erzählt, erscheint Meryem, ihre älteste Tochter. „Komm Mama, wir wollen los. Meine Klasse steht unten.“ Die SchülerInnen sind gekommen um die Familie zu einer Kundgebung abzuholen. Sebastian Theiß und Maria Junaitis sind Schülersprecher der Gesamtschule am Leher Markt und haben die Protestaktion vorbereitet. „Wir haben eine Petition verfasst, damit die Familie hierbleiben darf,“ sagen sie. 400 Schüler haben unterschrieben, alle 18 Klassen beteiligen sich an der Demo. Mitkommen darf nur, wer eine Einverständniserklärung der Eltern vorlegt. Diese hätten aber fast alle Schüler, so eine Lehrerin. „Keine zwei pro Klasse“ seien es gewesen, deren Eltern die Unterschrift verweigert hätten. Und so stehen am Dienstagmorgen rund dreihundert Schüler vor dem Bremerhavener Magistratsgebäude und beschimpfen einen Oberschulrat, der von der Verwaltung vorgeschickt wurde, weil der Bürgermeister und sein Stellvertreter „auswärtige Termine“ wahrnehmen müssten.
Klaus Göhrke, Sprecher der „Solidarischen Hilfe“ in Bremerhaven kennt die Familie seit zwölf Jahren. „Unmenschlich“ sei es, die Familie in ein fremdes Land abzuschieben. „Wenn ihr eure Freunde nach den Ferien wiedersehen wollt, müsst ihr jetzt dafür kämpfen,“ ruft er den Schülern zu.
Horst Keipke leitet die Bremerhavener Verwaltungspolizei und ist für die Abschiebung zuständig. Während der Kundgebung leistet er dem Oberschulrat moralische Unterstützung: „Nach unseren Erkenntnisse haben die Eheleute ihre Identität verschleiert. Deswegen kann ihnen kein Aufenthaltsrecht gewährt werden.“ Konkretisieren will er den Verdacht nicht – aus „Datenschutzgründen“. Allerdings werde die Behörde eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen Eilantrag der Familie abwarten. „Vorher schieben wir nicht ab.“