Integration zum Nulltarif

Als erstes Bundesland beschließt Hamburg ein Integrationskonzept für ein Viertel seiner Bevölkerung. Kosten aber soll es nichts. Viele wohlklingende und nebulöse Absichtserklärungen. Opposition spricht deshalb von Wunschzettel

Die verbesserte Integration von Menschen mit Migrationshintergrund soll in Hamburg kostenlos sein – für die Stadt. „Wir wollen nicht mehr Geld ausgeben, sondern die Angebote neu strukturieren“, räumte die Zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gestern auf Nachfragen ein. Zuvor hatte sie noch wortreich einen „historischen Moment“ für die Hansestadt verkündet: Als erstes Bundesland habe Hamburg ein Integrationskonzept beschlossen. Die Senatorin sei „berühmt für Rhetorik, aber nicht für hilfreiche Politik“, spottete umgehend Aydan Özoguz, Migrationspolitikerin der oppositionellen SPD.

Dabei liest sich auf den ersten Blick gut, was die christdemokratische Regierung des Stadtstaates auf 106 Seiten Papier sich so alles hat einfallen lassen, um die, so Schnieber-Jastram, „wichtigste gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit zu bewältigen“. Spracherwerb und -förderung bei Kindern und Eltern, schulische und universitäre Bildungsmöglichkeiten, verbesserte Ausbildungschancen, berufliche und soziale Integration sowie ein konfliktfreies Zusammenleben in Stadtteilen und Quartieren – kein Stichwort hat Hamburgs Senat vergessen, um „die Teilhabe“ der 466.000 BürgerInnen mit Migrationshintergrund (26,8 Prozent) zu verbessern.

Allein die Umsetzung bleibt meist nebulös. Es wird viel „beabsichtigt“, es soll viel „geprüft“ werden, was die „Gleichberechtigung von Zuwanderern im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ fördern könnte. Verpflichtend ist allein das Beherrschen der deutschen Sprache. Kleinkinder sollen ab August 2007 obligatorisch in ihrer Vorschule oder Kita so gut Deutsch lernen, dass sie mit Beginn der ersten Grundschulklasse das gleiche Sprachniveau haben wie deutsche Kinder. Die entsprechende Aus- und Fortbildung von ErzieherInnen und LehrerInnen jedoch wird nur „geprüft“.

So gespickt mit wohlklingenden Absichtserklärungen sind sämtliche Teile des Integrationskonzeptes, dass Özoguz sich fragt, „ob es ein Wunschzettel oder eine konkrete Handlungsanweisung“ sei. Auch die Abgeordnete Nebahat Güclü (Grüne) kritisiert die Fülle an „reinen Prüfaufträgen ohne Garantie auf Umsetzung“. Ebenfalls skeptisch ist das Diakonische Werk, das „die Probe aufs Exempel“ bei der Realisierung abwarten will. Ohne ein Finanzierungsmodell sei es fraglich, so SPD, Grüne und Diakonie übereinstimmend, „ob die Ziele des Konzeptes erreicht werden können“.

Die Senatorin hat da natürlich keinen Zweifel: „Qualität und Effektivität der Maßnahmen sind wichtiger als das Geld“, glaubt Schnieber-Jastram. Im Übrigen sei das Konzept ja nur „ein Werkzeug für die Praxis“. Die Arbeit, sagt sie, „fängt ja jetzt erst richtig an“. Das sehen ihre Kritiker auch so. Sven-Michael Veit