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Archiv-Artikel

Hamas-Premier fordert nationale Einheit

Andauernde Kämpfe im Gaza-Streifen fordern fünf Tote. Israels Regierungschef Olmert trifft jordanischen König

„Diese Nation wird eine vereinigte Front bilden gegen Besatzung und Aggression“

JERUSALEM taz ■ Der Ministerpräsident der Hamas-geführten Regierung, Ismael Hanijeh, hat gestern Abend nach blutigen Auseinandersetzungen zur nationalen Einheit der Palästinenser aufgerufen. „Wir sitzen alle in einem Boot“, sagte er in der mit Spannung erwarteten Rede in Gaza-Stadt. Die bei den Kämpfen zwischen Hamas und Fatah getöteten Männer seien „alle unsere Söhne, die Söhne der Palästinenser“. Statt aufeinander zu schießen, sollten die Palästinenser lieber gemeinsam Israel bekämpfen. „Diese Nation wird eine vereinigte Front bilden gegen Besatzung und Aggression.“

Zuvor hatte auch Präsident Mahmud Abbas, Chef der gemäßigten Fatah-Partei, gefordert, die Auseinandersetzungen in den palästinensischen Gebieten zu beenden. „Ich rufe ohne Ausnahme alle dazu auf, die Waffenruhe einzuhalten, das Töten zu beenden und alle anderen Operationen zu beenden, die unsere nationale Einheit gefährden“, sagte er am Nachmittag.

Abbas’ Ankündigung, Neuwahlen durchführen zu lassen, wenn die regierende Extremistenpartei Hamas sich nicht auf eine Koalition der nationalen Einheit einigt, hatte die Unruhen ausgelöst. Die politischen Führer der beiden großen Parteien versuchen jetzt, die gefährliche Lage zu deeskalieren. Denn die bürgerkriegsartigen Kämpfe im Gaza-Streifen sind gestern trotz der am Sonntag geschlossenen Waffenruhe mit Schießereien und Straßenschlachten weitergegangen. Insgesamt kamen fünf Menschen ums Leben. Eine ganze Reihe bewaffneter Gruppen scheint sich nicht mehr an die Anweisung von oben zu halten und ist außer Kontrolle geraten.

Die Lage in den palästinensischen Gebieten ist so beunruhigend, dass sich gestern überraschend sogar Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und Jordaniens König Abdullah zu Gesprächen trafen. Olmert folgte damit einer Einladung des Monarchen mit dem Ziel, den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bringen. Entsprechende Versuche liegen aufgrund des palästinensischen Machtkampfes derzeit auf Eis.

Zu heftigen Gefechten in Gaza-Stadt war es gestern bereits am frühen Morgen gekommen. Bei der Schießerei im Hof eines Krankenhauses kamen drei Menschen – ein Hamas-Milizionär und zwei Fatah-Sicherheitsbeamte – ums Leben, mindestens 20 Personen wurden verletzt. Unter Beschuss gerieten auch viele Kinder, von denen mindestens fünf verletzt wurden. Die Schulen wurden deshalb gestern zunächst einmal bis auf weiteres geschlossen. Später wurde auch das Hauptquartier des Geheimdienstes in Gaza mit Mörsern und Granaten angegriffen. Bereits in der Nacht hatte es außerdem zahlreiche Entführungen von beiden Seiten gegeben. Unter anderem wurde auch der hochrangige Fatah-Vertreter Sufian Abu Saideh verschleppt. Die meisten Entführten wurden aber im Laufe der Nacht wieder freigelassen.

Vermittelt haben bislang vor allem Vertreter kleinerer Fraktionen wie der Islamische Dschihad und die Palästinensische Volksbefreiungsfront (PFLP), die nicht direkt in die Auseinandersetzungen verwickelt sind. Sie haben auch, zusammen mit ägyptischen Diplomaten, immer mal wieder erreicht, dass hier und da die Waffen für einige Stunden schwiegen. Doch bereits gestern Abend wurden aus Hebron im Westjordanland neue Entführungen gemeldet.

SILKE MERTINS