: Bio nicht mehr ohne Gendreck
Die EU definiert neu, was Öko-Essen ist – und weicht die Kriterien weiter auf
BERLIN taz ■ Bioessen darf demnächst Gentechnik enthalten. Das sieht die EU-Kommission in ihrem Entwurf für eine neue Ökoverordnung vor. Brüssel definiert darin neu, was Bio ist und was nicht – und bringt die Ökoverbände gegen sich auf. Gestern debattierten die EU-Agrarminister die umstrittene Novelle, um ihre inhaltliche Linie festzulegen. Sie schlossen sich den Vorschlägen der Kommission an.
Hintergrund: Die Verbraucher essen nicht mehr alles, was in den Laden kommt. Viele haben giftiges Gemüse und gammelndes Fleisch satt – und setzen auf Bioprodukte. Mittlerweile verdienen auch Edeka, Tengelmann oder Aldi gutes Geld mit Öko. Der Bioumsatz ist nach vorläufigen Schätzungen allein in diesem Jahr um 15 Prozent gestiegen – auf 4,5 Milliarden Euro. Die Biobauern sind für den Ansturm nicht gerüstet. „Biokartoffeln, Biomöhren und -fleisch werden knapp“, sagt Diana Schaack von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle in Bonn.
Nun will EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel die seit fünfzehn Jahren bestehenden Regeln für den Ökolandbau ändern. Sie sagt „vereinfachen“, die Ökoverbände sagen „verwässern“. Drei Punkte der Brüsseler Pläne sind besonders strittig. Erstens: Geht es nach der Kommission, dürfen Biowaren künftig zu 0,9 Prozent mit Gentechnik verunreinigt sein, ohne dass sich auf der Verpackung ein Hinweis findet. Derzeit ist Gentechnik für Biobauern tabu, genau wie für viele ihrer Kunden auch. Zweitens: Bislang müssen alle Zutaten von Süßigkeiten oder Pizzen öko sein, damit „Bio“ auf der Schachtel stehen darf. Demnächst kann eine einzelne Zutat als Bio beworben werden – etwa die Biomilch in einer Schokolade, die sonst konventionell produziert wurde. Und drittens: Heute muss der Ökobauer über alles Buch führen – zum Beispiel woher sein Futter kommt und wie er kranke Tiere behandelt. Das wird genau überprüft. Demnächst soll die Bioproduktion hingegen nicht mehr so streng kontrolliert werden. Dann wird vor allem die Endqualität der Ware untersucht.
Thomas Dosch vom Anbauverband Bioland sieht die „Glaubwürdigkeit von Bioprodukten gefährdet“. Die Pläne kämen den traditionellen Lebensmittelketten zugute, die sich um günstigen Nachschub sorgen.
Die konventionellen Supermärkte und Discounter verkaufen mittlerweile die Hälfte aller Biowaren in Deutschland – und machen Bio billiger. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Preise für Biobananen im Schnitt zum Beispiel um knapp 20 Prozent gefallen, für Biohackfleisch um 15 Prozent, für Biokekse um 10 Prozent. Die neue Ökoverordnung soll 2009 in Kraft treten. Im kommenden März entscheiden die EU-Agrarminister über die endgültige Fassung.
HANNA GERSMANN