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Archiv-Artikel

Klimawandel in der deutschen Wirtschaft

Das Thema Erderwärmung spielt für ein Drittel der größten deutschen Unternehmen bei ihren Finanzstrategien eine Rolle. Investoren erkennen inzwischen, dass der Klimawandel für künftige Geschäftserfolge Risiken beinhalten könnte. Doch in anderen Ländern sind die Konzerne weiter

VON NICK REIMER

In der deutschen Wirtschaft findet zurzeit ein Mentalitätswandel statt. Bei rund einem Drittel der zweihundert größten deutschen Unternehmen spielt beim Business das Thema Erderwärmung inzwischen eine Rolle. Das hat der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) herausgefunden, der jetzt die größten deutschen Börsenkonzerne unter die Lupe genommen hat. „Größe“ heißt in diesem Kontext: gemessen nach ihrer Marktkapitalisierung.

„Carbon Disclosure Project“ nennt sich das Untersuchungsprojekt von 225 Finanzanlegern. „Für Investoren, Versicherer und Fonds spielt in ihrer Finanzstrategie zunehmend der Klimaschutz eine Rolle“, begründet Frank Bock, Sprecher des Bundesverbandes Investment und Asset Management das größer werdende Engagement der Finanziers.

Weltweit vereinen die am Carbon Disclosure Project interessierten Investoren in ihrer Gesamtheit mehr als 24 Billionen Euro. Unter den weltweit 225 klimafreundlichen Investoren sind auch 32 deutsche: Unternehmen etwa wie DWS Investment, die Helaba Invest Kapitalgesellschaft, die Landesbank Baden-Württemberg, die Münchner Kapitalanlage GmbH oder die Deutsche Bank.

Auskunft verweigert

Die Untersuchung des Bundesverbandes Investment und Asset Management lobt Firmen. Der Autobauer BMW, der Versicherer Münchner Rück, der Chemiemulti BASF oder etwa das Elektronikunternehmen Siemens machen sich demnach die richtigen Gedanken. Das Projekt tadelt aber auch: Unternehmen wie Degussa, Karstadt-Quelle, Jenoptik, der Rüstungsbauer Rheinmetall oder der Axel Springer Verlag haben rundheraus abgelehnt, sich mit dem Thema überhaupt zu befassen. Klimaschutz-Strategien scheinen auch bei Firmen wie Vattenfall, Dyckerhoff, Heidelberger Zement oder dem Windanlagenbauer Repower Systems nicht vorhanden. Allerdings verweigerten sie auch die Auskunft.

Dabei sind für die Mehrzahl der Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligten, „Veränderungen der Energiekosten nur geringfügig ergebnisrelevant“, heißt es in der Auswertung. Das bedeutet im Klartext: Das Stöhnen über eine steigende Belastung durch die Klimaschutzpolitik einer Regierung – Stichwort EEG-Umlage, Zertifikate-Handel oder Abgabe für Kraft-Wärme-Kopplung – ist nichts als das Rasseln der Lobbyisten.

„Der Klimawandel wird sich direkt und massiv auf die Weltwirtschaft, die Kapitalmärkte und letztlich auf das Vermögen der Aktionäre auswirken“, urteilt Joachim Faber, Vorstandsmitglied der Allianz. Mattias Kopp, Finanzreferent beim World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland, bewertet die Untersuchung der Kapitalisten so: „Die Investoren haben erkannt, dass der Klimawandel fundamentale Risiken für zukünftige Geschäftserfolge birgt.“ Bislang werden nach einer groben Schätzung des Carbon Disclosure Project, das im Jahre 2000 erstmals seine Anfrage an die weltweit 500 größten Firmen verschickte, weniger als 0,1 Prozent der Kapitalanlagen klimafreundlich verwaltet.

Folgen für Aktionäre

Deshalb ist die andere Aussage des Carbon Disclosure Project aus Sicht der Finanzwelt auch verheerend: Zwei Drittel der größten deutschen Konzerne machen sich über den Klimawandel und seine Folgen keine Gedanken. 80 Prozent der globalen Emissionen werden von drei Sektoren verursacht: Energieerzeugung, Öl und Gas, dazu Metall- und Stahlverarbeitung plus Bergbau.

In anderen Ländern ist das Bewusstsein größer. So antworteten in Frankreich 45 Prozent der Unternehmen, in Brasilien mehr als die Hälfte, in Japan sogar zwei Drittel. BVI-Sprecher Frank Bock: „Das größte Engagement ist in Großbritannien zu verzeichnen. Hier antworteten 83 Prozent der größten Unternehmen.“ Insgesamt, so Bock, sei das Bewusstsein für den Klimawandel auf der britischen Insel am größten. „Augenscheinlich eine Mentalitätsfrage: Sogar die Boulevardzeitungen sind bei diesem Thema progressiv.“