: Zöllners erste Rechenstunde
Laut Bildungssenator fielen im letzten Schuljahr so wenige Unterrichtsstunden aus wie seit acht Jahren nicht mehr. Die Opposition dagegen spricht von gefälschten Zahlen und einer Katastrophe
Von Jan Schulte Holthausen
Die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden ist im vergangenen Schuljahr 2005/06 leicht auf 2,5 Prozent gesunken. Im Vorjahr hatte der Wert 2,6 Prozent betragen. Das geht aus dem jüngsten Jahresbericht zu Unterrichtsausfall und Vertretungsunterricht an Schulen hervor, den Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern vorgelegt hat.
Zöllner freute sich über den „niedrigsten Wert seit 1999“, räumte jedoch gleichzeitig ein: „Natürlich ist jede ausgefallene Unterrichtsstunde eine zu viel.“ Es gelte, umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, um das Schulwesen zu reformieren.
Bei einer Ausfallquote von 10,5 Prozent musste im vergangenen Schuljahr mehr als jede zehnte Unterrichtsstunde vertreten werden – vor allem wegen krankheitsbedingter Ausfälle der Lehrkräfte. Nach Angaben der Senatsverwaltung wurden davon 8 Prozent vertreten, der Rest fiel komplett aus.
Zum Schuljahr 2007/08 will der Schulsenator deshalb einen Etat einrichten, aus dem die Schulen Vertretungslehrer bezahlen können. Diese Vertretungsreserve beläuft sich auf 3 Prozent des Unterrichtsbedarfs einer Schule. Die Schulen können sich entweder selbst um einen Stab von Vertretungslehrern kümmern oder auf eine zentrale Datenbank zurückgreifen. Auf diese Weise soll künftig binnen einer Woche auf einen längeren Lehrerausfall reagiert werden können.
Darüber hinaus will Zöllner drei Projektgruppen ins Leben rufen. Die sollen sich um Bürokratieabbau, die Verbesserung der Lehrkräfteplanung und um die Qualität der Arbeit der Schulaufsicht kümmern.
„Wenn man ein System reformieren will, muss man bereit sein, jeden Teilbereich zu hinterfragen“, sagt Zöllner gestern. „Dass es Vorschriften gibt, die unsinnig sind, dass Lehrer zum Teil Dinge machen müssen, die unnötig und belastend sind, halte ich durchaus für möglich.“
Zöllner strebt eine dezentralere Schulverwaltung an als bisher. „In den Schulen ist eine individuelle Förderung der Schüler das Ziel. Ebenso flexibel muss die Zusammenarbeit der Schulen mit den Behörden gestaltet werden“, sagte er.
Die Opposition unterstützt die Forderungen des Senators. Von seinen Daten über den Unterrichtsausfall hält sie allerdings nichts. Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, weist darauf hin, dass nicht nur die komplett ausgefallenen, sondern auch die Vertretungsstunden ein Problem seien: „Wer die Realität an den Schulen kennt, weiß, dass auch die Vertretungsstunden nicht als adäquater Ersatz gelten können. Denn sie werden meist fachfremd durchgeführt und sollen die Schüler nur beschäftigen.“
Die Zahl der Stunden, die vertreten werden mussten, ist laut Zöllners Statistik im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozentpunkte gestiegen. Die Lage habe sich also nicht entspannt, sondern verschärft, so Mutlu. „Das ist eine Katastrophe.“
Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP, hält die Zahlen für eine „Lachnummer“: „Ich weiß nicht, wie die ihre Statistik fälschen. Aber mit der Wirklichkeit hat das alles nichts zu tun“, sagte sie der taz. Gleichwohl hält sie die Maßnahmen des Senators für richtig. „Ich würde mich freuen, wenn endlich die Reformen zustande kämen, für die ich jetzt seit gut vier Jahren werbe.“ Bisher seien sie an den Gewerkschaften gescheitert. „Ich bin noch nicht sehr zuversichtlich, dass es diesmal klappt“, sagte sie.